27. Juni 2011

Da fehlen die Bässe

 

Mit einer Performance eröffnet Dieter Meier seine Werkschau in der Sammlung Falckenberg

 

Es ist krachend voll, wie für ein Popmusik-Ereignis, in den Phoenix-Hallen der Sammlung Falckenberg, und das, obwohl das Konzert des Yello-Sängers, oder besser -Sprechers, denn Dieter Meier kann nicht singen, weder zu alten Yello-Zeiten noch jetzt, unter dem Decknamen »Performance« angekündigt war. Yello, eine Elektro-Pop-Band der ersten Stunde übertönte schon immer alle weiteren Aktivitäten des Performance-Künstlers Dieter Meier. Auch jetzt wieder dominieren die Musikvideos der 80er Jahre die Mikro-Konzepte, Experimente und Aktionen, die hier auf drei Etagen ausgestellt werden. Was zum einen an der akustisch ohnehin schwierigen Phoenix-Halle liegt, aber auch daran, dass man Musik dieser Art tatsächlich mit einer geeigneten Anlage abspielen sollte, sonst fehlen die Bässe, welche das drängend treibende Pumpen der 80er Jahre Musik doch aber eigentlich ausmachen.

Dieter Meier ist von diesem unordentlichen Lärm ungerührt. Zu Beginn des Abends sitzt er am Eingang der Ausstellungshalle an einem kleinen Tisch und signiert 300 Sonderdrucke, der Katalog ist zu Ausstellungsbeginn nicht fertig, was nicht schlimm ist. Meier versieht also die sehr schönen 300 Extra-Bücher neben seiner Unterschrift mit Namen aus dem New Yorker Telefonbuch. Außerdem bestätigt er gleichzeitig seinen Gästen den Aufenthalt in einem kleinen Raum hinter ihm. (Es ist schlicht der nun leer geräumte Aufenthaltsraum, in welchem sonst das routinierte Aufbauteam der Phoenix-Hallen raucht, flucht und Kaffee trinkt.) Um diese Bestätigung von Meier zu erhalten, muss man sich eine Stempelkarte holen und diese vor und nach dem Betreten des Raums durch eine Stempeluhr führen. Die so verzeichnetet Zeit widmete man Dieter Meier, der sich diese Doppelbeschäftigung für den Eröffnungsabend erfunden hat, um die Small-Talk-Falle, genauer die »Der Künstler ist anwesend«-Drangsal energisch zu seinen Gunsten zu wenden. Ziel eines Performance-Künstlers ist schließlich immer auch die Beherrschung der Zuschauer, so subtil oder umwegig das auch immer ausfallen mag. Dieter Meier hat seine Gäste hervorragend im Griff. Er grüßt, signiert, strahlt, ist umwerfend freundlich, und dann ist der nächste dran.

Dieter Meier war nie um die zügige Abwicklung allerlei Herausforderungen verlegen. Als er zu einer großen Ausstellung ins Kunsthaus Zürich eingeladen wird und feststellt, dass sich seine Performances, die nahezu alle unter freiem Himmel stattfanden, schlecht in einen White-Cube-Kontext transferieren lassen, fertigt er kurzerhand fotografische Serien mit Namen »Lost Pieces« oder »Flying Sculptures« an. Bereits die Titel geben großzügig und unbesorgt alles über den eiligen Herstellungsprozess preis. Und die so entstandenen Sachen sind wirklich himmelschreiend bekloppt und deshalb wunderbar. Dieter Meier braucht Bilder, dann macht er eben schnell welche, so einfach ist das. Dieter Meier ist anarchisch, vor allem, weil seine Kunst albern ist. Er strapaziert die Würdeformeln des Kunstbetriebs, weil sie ihm schlicht gleichgültig sind, so der Kurator Stefan Zweifel, der wohl auch die nächste Station der Schau im ZKM in Karlsruhe begleiten wird, wo man die Zusammenstellung der Exponate möglicherweise noch einmal anders ausrichtet, denn in der Hamburger Ausstellung fehlen die politischen Aktionen der 60er Jahre, die vor Meiers Kunst- und Musikerfolgen standen. All die verzweigten und verschiedenen Beschäftigungen von Dieter Meier lassen sich heute statt mit anderer Kunst (er verweigert die Kontextualisierung ohnehin wo er kann) vielleicht besser mit den Trainingseinheiten auf Manager-Fortbildungskursen vergleichen, wo mit den versammelten Damen und Herren das »Verlassen der Komfortzone« geprobt wird, was eben heißt, dass man nicht aus der Rolle fallen soll, auch wenn es nervig, dumm oder anstrengend wird. Meier wäre der perfekte Trainer.

Dieter Meier ist Autodidakt, hatte also nichts zu tun mit Kunsthochschulen und akademischer Subordination, was sein entspanntes Verhältnis zum stets ins Hysterische driftenden Kunstzirkus erklärt und diese Ausstellung unbedingt empfehlenswert macht, allein um Meier als Peter Handke verkleidet zu sehen, der selten besser parodiert wurde. Natürlich heißt er nicht Handke, sondern Hampel, aber der Spott von Bild und Bildunterschrift trifft exakt die leidend weltwissende Dulderpose eines Riesen-Egos:

 

»Peter Hampel, a native from Salzburg, Austria, published his first collection of short stories when he was still a student of quantum physics at the University of Vienna. His father Wolfgang Hampel, an important industrialist, totally objected to his son’s artistic endeavours. After eight difficult years in one of his father’s companies, he »escaped« from Austria in 1978 to live in Rome, where he finally finished his first novel »By Chance«, published by Rowohlt. He won several literature awards and earned the respect of critics throughout Europe. Today, a scholar of German literature in London, Peter Hampel specializes in the work of Jean Paul and Heinrich von Kleist.

Since he completed his third novel »Black is Blue« (1989), he has been working on a trilogy, the release of which had to be postponed several times.

Impersonated by Dieter Meier Zürich / Los Angeles 1974 / 2005«

 

Der Besuch der Ausstellung in Hamburg Harburg ist nur im Rahmen von Führungen möglich.

 

Nora Sdun

 

Dieter Meier: WORKS 1969 – 2011 AND THE YELLO YEARS

25. JUNI – 11. SEPTEMBER IN DER SAMMLUNG FALCKENBERG, HAMBURG-HARBURG