13. Oktober 2003

Philosophie als Gameshow

 

Von Gustav Mechlenburg

 

Man kann sich ja so einiges Unbefriedigendes vorstellen. Etwa ein Videoband, auf dem die letzten 5 Minuten eines Krimis fehlen oder ein Rätselbuch ohne Lösungsteil. Philosophische Bücher dagegen spielen in der Regel nicht mit der Ankündigung einer Auflösung ihrer Problematik. Insbesondere von Einführungen und Sammlungen philosophischer Probleme erwartet man keine eindeutigen Antworten. Unlösbare Fragestellungen rechtfertigen ja gerade die Existenz der Philosophie. Selbst die so korrekt arbeitende Teildisziplin Logik bietet keine Gewähr für eindeutige und zuverlässige Schlussfolgerungen.

 

Der englische Philosoph Martin Cohen hat deshalb, auch wenn der Titel und Aufbau des Buchs es vermuten ließe, erst gar nicht versucht, alle philosophische Rätsel der Philosophiegeschichte zu lösen. Die unterschiedlichsten Rätsel und Paradoxien aus der Schatztruhe philosophischen Denkens hat er unter systematischen Gesichtspunkten zusammengestellt und somit den Leser zum Mitdenken animiert.

 

Unter Rubriken wie „Logische Fallstricke und Paradoxien“, „Geschichten zur Ethik“ oder „Persönliche Probleme“ trifft man teils auf Altbekanntes in klar verständlicher Sprache, teils auf brandaktuelle Probleme. So fehlt selbstverständlich nicht die von Zenon beschriebene Paradoxie, dass Achill bei einem Wettlauf die viel langsamere Schildkröte niemals überholen kann, oder die Schwierigkeit, einem Kreter, der sagt, alle Kreter würden lügen, Glauben zu schenken.

 

Neben Zahlenrätseln und optischen Täuschungen kommen vor allem auch ethische Fragestellungen zum Tragen. Das reicht von der abstrusen Idee, einem Computer sein gesamtes Erbe zu vermachen, bis hin zu Fragen der Impf-Pflicht und Abtreibung.

 

Die Erörterungen, wie bei einem üblichen Rätselbuch im hinteren Teil des Buchs versammelt, bleiben meist zurückhaltend informativ. Hilfreicher ist da schon das Glossar, das in Kürze über Personen und Begriffe Auskunft gibt.

 

Die Probleme und Rätsel hat Cohen farbenreich geschrieben und in schöne Geschichten verpackt. Zum Schmökern oder selbst für Diskussionen und Unterricht lässt sich das Buch gewiss verwenden. Ärgerlich allerdings ist die vermeintliche Witzigkeit des Autors, die in den Erleuterungen durchscheint. So möchte man wohl kaum nach mehreren Problemstellungen zur politischen Philosophie unter dem Titel „Neu-Diktatia“ mit der lakonischen Antwort „Das Leben schreibt doch die merkwürdigsten Geschichten“ abgespeist werden.

 

Warum es schließlich gerade 99 philosophische Rätsel geben soll, bleibt selbst nach der Lektüre ein Rätsel, zumal die englische Ausgabe sogar von 101 philosophischen Problemen spricht.

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Martin Cohen: „99 philosophische Rätsel“, Campus 2001