12. November 2005

Endlich gleich tot

 

Der Autor, Militärhistoriker und Professor an der Hebräischen Universität in Jerusalem, ist ein wenig verärgert. Das liegt vor allem an den Frauen, oder zumindest an bestimmten. Er wirft ihnen vor, das Spiel verdorben zu haben, das Spiel zwischen den Geschlechtern. Doch worum geht es? Martin van Creveld stellt die These auf, dass mit dem Eindringen von Frauen in das traditionell von Männern beherrschte Terrain der Streitkräfte das Niveau letzterer im Abstieg begriffen sei, dass aber die Besetzung nur deshalb möglich war, weil ein in und zwischen Industrienationen ausgelöster Krieg in den letzten 15 Jahren eher unwahrscheinlich geworden ist.

 

Für den Autor ist der Krieg seit jeher das Feld, an dem sich am überzeugendsten die Geschlechterdifferenz mit den Leitunterschieden stark/schwach, belastbar/unbelastbar aufzeigen lässt. Um dies zu beweisen, geht er bis in die Mythologie und ins Altertum zurück, denn schon da hieß es, dass Frauen zwar häufig Auslöser und Begleiter von Kriegen gewesen seien, ihre aktive Teilnahme an Kampfhandlungen jedoch die sehr große Ausnahme war. Und was etwa die Amazonen betrifft, so wirft er sie ganz ins Reich der Mythologie. Im Krieg, so Martin van Creveld, beweist sich der Mann. Während Frauen Schlachten privat im Kindsbett austragen, bleibt dem Mann, da er nichts Äquivalentes zu bieten hat, nur die Auszeichnung durch einen aggressiven Akt nach außen. Diese arbeitsteilige Struktur habe sich im Grunde bis in die Hälfte des 20. Jahrhunderts erhalten können, mit der Erfindung der Atombombe und der Philosophie der Abschreckung sei jedoch alles anders geworden. Die Heere der Industrienationen kämpfen nicht länger, und Helden produzieren Schalterbetätigungen ebenfalls nicht. Seit ein paar Jahren ist außerdem der äußere Feind abhanden gekommen. Und was nicht gebraucht wird, sinkt im sozialen Ansehen.

 

Daraus haben, so Creveld, viele Männer die Konsequenz gezogen und waren nicht länger bereit – jedenfalls in Berufsheeren –, einen Dienst zu tun, der ihnen keinerlei Lorbeeren mehr eintrug. Zwar war der Egalitätsdruck des westlichen Feminismus groß, aber entscheidend für die Öffnung der Streitkräfte war, dass den Militärs die Soldaten abhanden kamen und man zusehen musste, welche Bereiche Frauen übernehmen konnten, ohne dass das letzte Privileg der Frau, nämlich nicht in Kampfhandlungen einbezogen zu werden, fallen musste. Faktisch, so der Autor, hat sich nicht viel geändert. Die Frauen seien zwar in die männlichste der Männerdomänen eingedrungen, aber ihr Tätigkeitsfeld hier ist auf den Sanitätsbereich, die Verwaltung, die Wartung und die Küche beschränkt. Auch die israelische Soldatin muss nicht an die Front. Die Ausbildung der US-amerikanischen Marines ist nach wie vor reine Männersache (für den Autor ein Grund dafür, dass dieser Bereich als einziger sein Rekrutierungsziel erreicht hat), und was das künftige Szenarium kriegerischer Handlungen anginge, so werde dies geprägt sein durch das Eingreifen von Polizeitrupps und „Mercs“, also so was wie Elite-Söldnertrupps wie die Fremdenlegion, zu denen nach wie vor Frauen keinen Zugang haben.

 

Die Privatisierung der Welt wird sich zunehmend auch auf das Führen von Kriegen oder kriegerische Handlungen auswirken. Und da hier das Leistungsprinzip herrscht und bürgerrechtliche Gleichheitsvorstellungen nicht ziehen, haben die Frauen schlechte Karten. Aber gibt es da einen Grund zur Klage? Die letzten Helden werden sich in der Dritten Welt tummeln – und keiner, besser gesagt, keine hat’s gemerkt.

 

Dieter Wenk (09.01)

 

Martin van Creveld, Frauen und Krieg (Men, Women and War), München 2001