26. Oktober 2025

Haus des Todes

 
Kathryn Bigelow hat mit A HOUSE OF DYNAMITE einen Film über den möglichen Ablauf bzw. den Beginn eines Atomkrieges gedreht, der, wenn er denn geführt würde, nicht einer, also einer von vielen, sondern der Atomkrieg schlechthin wäre, ein Krieg, der in seiner zerstörerischen Kraft alles Leben auf der Erde infrage stellen würde, wenn nicht sofort, so doch in seiner Folge. Alles in einem solchen Geschehen besteht aus Abläufen von Dynamik, wie eben beim Film an sich auch. Film ist Ereignis, ist Dynamik, ist Voranschreiten, ist das Zerlegen von Welt in Bildpuzzlestücke, die der Schnitt neu zusammenlegt, sodass oft ein Puzzle entsteht, von dem wir noch keine Ahnung hatten. Bigelow, die uns einige der wichtigsten Politthriller der letzten Jahre um die Ohren, um die Augen gehauen hat, wie etwa den Kriegsfilm THE HURT LOCKER, der den Schweiß seiner Protagonisten über die Leinwand in unsere Seelen transfundiert und der uns ein Nervenkostüm überlegt, das unter Strom zu stehen scheint, den die Regisseurin nach Belieben durch unsere Körper jagt, präsentiert uns eine Welt am Abgrund. Drei Teile hat der Film, die Kamera ist ständig in Bewegung, der Schnitt ist auf dem Sprung, weil Hektik das Gebot der Stunde ist, einer Stunde, die über Sein oder Nichtsein entscheidet. Eine Interkontinentalrakete befindet sich auf ihrem stoisch-tödlichen Weg Richtung Chicago, und wir werden nun zu Zeugen von der Entdeckung in Alaska, über Beratungen im Weißen Haus bis hin zum Präsidenten selbst, der entscheiden muss, ob und wie zurückgeschlagen werden soll, und wenn ja, gegen wen überhaupt, denn der Sender der apokalyptischen Nachricht via Feuerkraft ist nicht ermittelbar. Stecken die Russen, die Chinesen, Nordkorea dahinter? Was bleibt, ist eine große Unsicherheit, eine Konfusion, die nach Lehrbuch abgehandelt werden soll. Aber dort, wo über den Fortbestand des Lebens mit einem Heben oder Senken des Daumens ein Urteil gesprochen werden soll, hat sich alle Lehrbuchhaftigkeit überholt. Am Ende bleibt Panik. Eine Panik, die Bigelow in eine Bildsprache zu übersetzen weiß, die uns und unsere Gedanken entfesselt, die uns wild nach Luft schnappen lässt, weil wir spüren, dass wir Teil eines emotionalen Kinos werden, wie es kaum besser sein könnte. Man klebt nicht nur in seinem Sitz, sondern auch an den Gesichtern der Schauspieler, an ihren Mündern. Man wird, und das ist eine große Kunst, in den Film hineingesaugt, einen Film, der keine billigen Antworten gibt, keine Erlösung.

Guido Rohm

 

A HOUSE OF DYNAMITE, Film 2025, Regie: Kathryn Bigelow