10. Februar 2025

STREICHHÖLZER

 

Von Wolfgang W. Timmler


Der Morgen war hell und klar, aber in der Hotelhalle brannte trotz der frühen Stunde noch Licht. Horschak klingelte an der Rezeption. Nach einer Weile ging hinten eine Tür, und eine ältere Frau erschien. Sie zog mechanisch ein vergilbtes Formularblatt aus einem Fach und schob es über den Tresen. Horschak schüttelte den Kopf. Er wollte nur wissen, wem der grüne Sportwagen vor dem Hotel Garni gehörte.

“Zimmer 17.”

Beklommen stieg Horschak die steilen Stufen hinauf und klopfte. Fetzers Narbengesicht zeigte sich in der Tür.

“Wer ist da?”

“Ein Kanalarbeiter, Schätzchen.”

“Er soll sein Rohr woanders verlegen!”

Die Frauenstimme kam aus einer Wolke weißer Bettlaken. Fetzers Grinsen wurde breit wie ein Axthieb. Und bevor Horschak etwas erwidern konnte, war die Tür schon ins Schloss gefallen.

Es gibt drei Dinge auf der Welt, denen ein Kehrmaschinenfahrer niemals nachlaufen darf, sagte sich Horschak, einer falschen Blondine, einem löchrigen Strohhut und einem grünen Sportwagen. Neugierig warf er einen Blick in Nummer 11. Im dämmerigen Halbdunkel war eine junge Frau zu erkennen. Sie trug das Haar offen, sodass es in schweren honigfarbenen Strähnen auf ihre Schultern fiel. Mit dem Morgenmantel aus heller Seide erinnerte sie Horschak an eine Raupe, die sich in ihren Kokon einsponn.

“Hast du Feuer?”

Horschak nickte und griff in die Brusttasche seines Overalls. Die junge Frau lächelte und hielt ihre Zigarette in die blaue Streichholzflamme. Im Zimmer herrschte eine fiebrige Hitze wie in einem Backofen. Die Vorhänge waren zugezogen und ließen keine frische Luft herein.

“Danke. Wie heißt du?”

“Horst.”

“Ich bin die Ziska.”

“Weißt du, wer der Kerl von Nummer 17 ist?”

“Das Ananasgesicht? Das ist Fetzer. Er kommt mittwochs.”

Der Lichttropfen in Horschaks Hand verlosch.

“Ich möchte dich etwas fragen, Ziska. Bitte versteh mich nicht falsch. Ich weiß, es geht mich eigentlich nichts an. Wer bin ich schon? Ein einfacher Arbeiter. Genau wie du. Ich meine, ich möchte nur wissen. Ich weiß gar nicht, wie ich mich ausdrücken soll. Am Ende denkst du noch, ich sei vom Finanzamt.”

“Drei Braune.”

Aus ihrem Mund schoss ein hellgrauer, leicht bläulich gefärbter Strahl, der sich sekundenlang im Halbdunkel hielt, bevor er zu Nichts zerging.

“Eine Stunde.”

Horschak überlegte. Hundertfünfzig waren viel Geld. Wenn er sie jetzt ausgab, musste er heute noch zur Sparkasse. Und dort war er erst gestern gewesen. Wie würde das ausschauen? Alle kannten ihn. Und der Wachmann dort hielt ihm sogar die Tür auf. Bestimmt würde es heißen: Sieh mal einer an, der Kehrmaschinenfahrer Horschak, der spielt wohl heimlich Poker.

Dass ihm die Geschichte mit diesem Fetzer auch ausgerechnet heute passieren musste! Die Reparatur würde einiges kosten. Ungefähr dreihundert. Dabei war gar nicht viel zu machen. Das Geld würde ihm die Versicherung bestimmt wieder ersetzen. Den Verteilerkasten letztes Jahr hatte sie ja auch bezahlt, aber damals war er stocknüchtern gewesen, als es passiert ist. Er musste mit diesem Fetzer reden. Und mit Degowski. Aber vor allem mit diesem Fetzer. Degowski würde mit zwei Braunen zufrieden sein. Außerdem schuldete er ihm noch einen Gefallen. Mindestens vier Braune blieben also für ihn, wenn er den Sportwagen in Degowskis Werkstatt spachteln und lackieren ließ.

“Zahlt man vorher oder nachher?”

“Ganz, wie du willst.”

“Dann nachher.”

Ziska nickte und schloss die Tür. Horschak sah in der Dunkelheit einen Stern aufleuchten und hörte das Rascheln von Seide. Er folgte der Zigarettenglut und musste an Weihnachten denken.

“Ho-ho, hooh!”

Als Horschak später die Vorhänge aufzog, schlug ihm die Sonne brutal ins Gesicht. Der grüne Sportwagen parkte noch vor dem Stundenhotel. Der Kratzer am Kotflügel war vom Fenster aus nicht zu erkennen. Horschak nahm sich eine von Ziskas Zigaretten und zündete sie an. Die Sonne erstickt das Feuer, dachte er, als der Husten ihn zu würgen begann. Er schloss die Vorhänge und schlich zum Badezimmer. Ziska sang unter der Dusche, und ihre Stimme klang, als würde sie jeden Augenblick zerspringen. Horschak schob sanft drei Geldscheine in ihren Morgenmantel und ging nach unten.

In der Hotelhalle brannte noch immer Licht. Horschak nahm das vergilbte Formularblatt vom Tresen, schrieb seine Telefonnummer darauf mit der Bitte um Rückruf und klemmte es draußen unter den Scheibenwischer des falsch geparkten Sportwagens.

Die Straße war wie ausgestorben. Ein tintenschwarzer Indianerhäuptling klebte an der Plakatwand und blies mit einer Friedenspfeife auf den Wilden Westen. Der Federschmuck macht ihn leiden, dachte Horschak, wie die Pfeile den Heiligen Sebastian. Plötzlich fiel ihm ein, dass er in Nummer 11 etwas vergessen hatte. Missmutig fuhr Horschak zum nächsten Kiosk und kaufte sich eine Schachtel Streichhölzer.