15. Juli 2024

Tropfen und Kugeln


 
Sie hebt die Tasse, eine Tasse Kaffee am Morgen muss sein, sie setzt sie an, sie trinkt, oh, der ist heiß, heißer, als sie dachte, sodass sie die Tasse wegreißt, aber da sind einzelne Tropfen, entlassen in die Freiheit, Tropfen, die es nicht mehr in die Tasse schaffen, die nun fallen, die stürzen, die an ihrem Kinn entlang Richtung Hose taumeln, im Grunde müssten sie sich verletzt haben, während sie schließlich auf dem Oberschenkel aufkommen, einzelne Tropfen, die dort versickern, nein, denkt sie, sie flucht, nein, ausgerechnet die gute Hose, denkt sie, so ein Mist, flucht sie, während irgendwo jemand just in dieser Sekunde von einer Kugel getroffen wird, noch einer Kugel, auch er denkt Mist, das soll es jetzt gewesen sein, denkt er, der von einer Kugel getroffen wird, mehreren Kugeln, nur weil die Kugeln keine Tropfen sind, die Tropfen Kaffee lassen sie aufspringen, während der mit den Kugeln stürzt, eine springt, einer stürzt, sie rennt zum Waschbecken, kann man den Kaffee mit dem Lappen rauswischen, fragt sie sich, während der, der mit den Kugeln im Leib stürzt, weiß, dass kein Lappen der Welt diese Kugeln aus ihm wischt, er spürt, dass ihm die Luft wegbleibt, so wie ihr, so ein Mist, sie muss sich umziehen, denkt sie, er nicht, warum umziehen, er wird sterben, er wird es, da trägt sie eine neue Hose und fragt sich, ob noch jemand so viel Pech wie sie hat, bestimmt nicht, denkt sie und schenkt sich keinen Kaffee nach.   
 

Guido Rohm