Mitarbeiterzeitschriften, die es verdient haben
forum – das Magazin des Medizinischen Dienstes
Manchmal werden aus Mitschülerinnen von früher die Treiber durch die Tage von heute. Bettina ist so eine, sie hatte mir vor ein paar Tagen eine Zeitschrift vor die Haustür gelegt, die ihr – die im Medizinischen Dienst untergekommen ist: einer Art TÜV für alles Gesundheitssystemische – alle drei Monate auf den Schreibtisch flattert. ‚Lies mal‘, meinte sie.
Habe ich getan.
forum ist das Gegenteil der in Fachkreisen sprichwörtlich gewordenen diskreditierten Bäckerblume. Es ist auch keine Apotheken-Umschau, die Wissenschaftskommunikation versteht als Übersetzungsauftrag zu einer Zielgruppe einzufangender Laien, die letzten Endes Kunden sind. Die Leser:innen von forum sind keine aus kommerziellen Gründen Adressierten, sondern in erster Linie Mitarbeiter:innen (und in zweiter Linie, da online abruf- und einsehbar, alle …), die sich auskennen in aktuellen gesundheitspolitischen Diskursen und auf dem Laufenden ge- und unterhalten werden sollen mit frischen Einblicken zu tagesaktuellen Themen.
Heft 2/2022 nimmt eine:n mit auf einen Trip durch das Schwerpunktthema Gendermedizin, das in sieben Beiträgen von Fachjournalist:innen aufgefächert wird in seine vielen Verästelungen. Mit geschlechtersensiblem Impuls wird – im Ton manchmal etwas reduktionistisch, weil biologistisch-essenziell argumentierend, dennoch fair und ausgewogen – über den state of the art in der Medikamentenforschung und die Unterschiede des Leidens und der Leiden von Betroffenen berichtet. Dort gibt es eine offenkundig aufsozialisierte Tendenz zur Sexus-unterscheidenden Diagnostik mit Folgen für die Medikamentenforschung, die zu weiteren Pfadabhängigkeiten in der Behandlung führt: „So werden Männer, die an einer bisher nicht diagnostizierten Multiplen Sklerose leiden, häufiger zur Orthopädie geschickt, Frauen zum Psychiater“ (Silke Jäger). Ein gender bias bei denen, die dazu forschen, findet sich: „40 Fakultäten und 38 Männer“ („Bislang vor allem Frauensache“, Uwe Hentschel). Außerdem gibt es Korrektive, um ein ganzheitliches Bild zu zeichnen, auch wenn diese Ganzheitlichkeit eine alles in allem binäre bleibt: m oder w und kein d. Christian Beneker zum Beispiel führt aus über „Caring Masculinity“.
Gendermedizin wird mehr als angemessen aufgerissen. Das Heft hat auch noch anderes parat, das ähnlich aufgezogen wird und trotz der Textwüsten, die man einfach durchdursten muss als Leser:in, professionell aufgemacht ist mit cleverem Layout. Genau hinschauen lohnt sich. Zu entdecken sind zu Stethoskopen geformte Silhouetten von männlichen oder weiblichen Gesichtern oder kleine Bällchen vor Fußballtörchen, die in Pissoirs zum Zielpinkeln animieren zum Thema ‚nudging‘, dem sanften Stupsen hin zum Befolgen intrinsischer Motivation, die auch darin bestehen kann, dass sich die Salatbar in der Mitarbeiterkantine gleich am Eingang befindet („Die subtile Macht der Wahlhelfer“, Silke Heller-Jung).
Bruno Arich-Gerz
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