24. November 2021

Ich zu einer Frau / die neben mir liegt:



„Ein Durstiger ließ seinen Mund herumpaddeln.“

Rasha Habbals Lyrik in Die letzte Frau ist stechend. Ihre titellosen Gedichte – oder ist es ein einziges Gedicht? – kommen sofort auf den Punkt, sie halten sich mit nichts auf. Die Intimität ihrer Szenen ist zwar mit abgebildet, angelegt, doch scheint sie fast durchgehend löchrig eingefasst. Es entfaltet sich ein bleak look auf Leerstellen, dessen Blickgerät zusätzlich selber längst seine Farbe eingebüßt hat, wie eine beschädigte Perspektive.

„Ein unreifer Apfel.
Die Mitgift, ein Lied.
Ein gekreuzigter Stern taucht ins Meer
und durch dein faltiges
weißes Wasser
ein bunter Fisch.

Das alles
uns eingeschlossen
wird ein Massengrab
an einem zerwehten Baum sein.“

Rasha Habbals gelbes Chapbook im Verlagshaus Berlin wurde von Anke Bastrop und Filip Kazmierczak aus dem Arabischen übertragen. Sie haben eine Sprache gefunden, die oft verknappt, tätigkeitenlos wirkt.  Ein „Du“ ist präsent, die Umstände meist ungeschildert vorausgesetzt. Habbals schmaler Band erreicht gerade  in der Verkürzung seine Atmosphäre, das Ganze ist wie ein Hauch, eine Andeutung, gesetzt zu kernigen Versankern auf jeder Seite. „Sie macht Feuer in ihren Handtellern. / Schatz, Essen ist fertig [...] Es sieht aus, wie es aussehen muss. / Sag bloß nicht, ich wäre eine Leiche.“

Das empfehlenswerte Lyrikheft (40 Seiten, zweisprachig) schließt mit einem Dialoggedicht, Sinnlose Verhandlung, das der vorhergehenden Struktur einen späten Kontrapunkt entgegenstellt, beinahe ein szenischer Text. „Die letzte Frau / bestraft den letzten Mann / und verlässt / den Bus.“

Jonis Hartmann



Rasha Habbal: Die letzte Frau, Verlagshaus Berlin 2021

https://verlagshaus-berlin.de/programm/die-letzte-frau/