27. Februar 2004

Wiener Übersetzungen

 

Der in Wien geborene Heinz von Foerster fuhr mit im brain-train des 20. Jahrhunderts, aber er stieg erst nach 1945 ein. Ein Kollaborateur war er deswegen nicht, mental jedenfalls. Richtig Karriere machte er also erst in den USA, in Illinois, wo er 1958 das Biological Computer Lab gegründet hat. Er begann zwar als Physiker, aber als guter Naturwissenschaftler hat er sich natürlich für alles interessiert. Am engsten verknüpft ist sein Name wohl mit der Disziplin Kybernetik, der er den schönen Ausdruck second order cybernetics schenkte.

Von Meta-Ordnungen hielt er trotzdem nichts, einem Guru aus den soft sciences hätte er durchaus Recht gegeben: „Es gibt keine Metasprache.“ Metasprachen sind nichts anderes als „selbstähnliche“ Gegenstandssprachen auf einem anderen Niveau. Da man sich auch daran gewöhnt hat, ihn als Vertreter des Radikalen Konstruktivismus zu betrachten, ist es klar, dass er oft die Gelegenheit wahrnahm, für Selbstverständlich genommenes zu hinterfragen und selbst Motti zu demolieren, mit denen man gerade in dem einen oder anderen wissenschaftlichen Salon brillieren konnte wie zum Beispiel mit Alfred Korzybskis berühmtem Spruch: Die Karte ist nicht das Land, aus dem von Foerster den provozierenden Satz machte: Die Karte ist immer das Land (denn wir haben nichts anderes; wir, das sind natürlich die Konstruktivisten, für Realisten ist das freilich skandalös).

Keine Frage, dass Leute wie Gotthard Günther, die die zweiwertige Logik auf Dauer etwas langweilig fanden, vielleicht auch, weil sie die wahr-falsch-Schaltung nicht für grundlegend hielten, Heinz von Foerster absolut entgegen kamen. Viel raffinierter als die Zweitwert- ist Günthers „Platzwertlogik“, die den jeweiligen Standort mitbedenkt, von dem aus der Logiker Sätze formuliert. Nur so, glaubt von Foerster, lassen sich gewisse Probleme „wirklich“ eliminieren. Man schafft sich seine Welt, nimmt sie nicht als gegeben hin. Manches muss dann eben gar nicht erst benannt werden.

Aber dieses Buch, „Teil der Welt“, ist kein Lehrbuch, im Gegenteil, es sind von Foersters aus dutzenden Tonbändern transkribierte Memoiren, es wird also gnadenlos geplaudert. Meistens ist das ziemlich lustig zu lesen, vor allem im umfangreichsten zweiten Teil, Heinz von Foersters „Monolog“, der erste und der dritte Teil bestehen aus Dialogen mit Monica Bröcker, die für die Endmontage zuständig war und davor kybernetisch den Job als Geburtshelferin für Heinz von Foersters Selbstbeschreibung machte. Stichwortgeber zu sein ist natürlich immer eine undankbare Rolle, und für einen so selbstlebendigen Kerl wie von Foerster war diese Konstruktion vielleicht eine zuviel.

Sei’s drum, was den einen oder anderen stören könnte (aber Signal-Geräusch-Verhältnisse sind ja wiederum das kybernetische Thema), sind die taoistischen „Fraktale“, die im ersten und dritten Teil parallel gerechnet werden und die immer so ein bisschen diesen unerträglichen New-Age-Sound im Hintergrund ertönen lassen. Für den dritten Teil ist man dann aber inzwischen platzwertlogisch gewappnet und kann mit der „Verweigerungs“-Taste für selbstgeordnete Verhältnisse sorgen. Und das ist nicht das Schlechteste, was von Foerster durchaus auch gegen sich selbst hier installiert.

 

Dieter Wenk

 

Heinz von Foerster/Monika Bröcker, Teil der Welt. Fraktale einer Ethik – Ein Drama in drei Akten, Heidelberg 2002 (Carl-Auer-Systeme Verlag)