7. April 2015

Der Winter naht! – Was bedeutet das eigentlich?

 

Der Wiley-Verlag will mit seiner Neuerscheinung „Die Philosophie bei Game of Thrones. Das Lied von Eis und Feuer: Macht, Moral, Intrigen“ (Hg. Henry Jacoby) auch ein Stück vom Kuchen und ist auf den Hype um George Martins mittelalterliche Fantasiewelt aufgesprungen.

Dabei ist der Titel bezogen auf die Herangehensweise nicht voll zutreffend: Es wird weniger versucht, Charaktere und Ereignisse des Dramas philosophisch zu erörtern, als bestehende philosophische Theorien mit Beispielen daraus zu erklären.

Das Buch ist in mehrere – mit pathetischen Zitaten Martins benannte – Kapitel unterteilt und behandelt einige der großen, vielleicht klassisch zu nennenden Fragen der Philosophie mit deren Vorzeigevertretern. So ist das Thema der Spannung zwischen Freiheit und Determinismus (Fatalismus) mittels Rückgriff auf Sartre und Heidegger dargestellt (Kapitel 15: „Schicksal, Freiheit und Authentizität in Game of Thrones“ im fünften Teil: „Stich mit dem spitzen Ende zu“). Der Einleitungsvers aus dem Roman Martins heißt: „Vergiss nie, was du bist, denn die Welt wird es ganz sicher nicht vergessen. Mach es zu deiner Stärke, dann kann es niemals deine Schwäche sein.“

Erwartungsgemäß können die Fragen in so geringem Umfang und auf eine solch populärwissenschaftliche Art nur oberflächlich gestreift werden. Trotzdem kommt dem Buch aufgrund der schieren Massen an Anhängern der Saga sicher eine relativ große Leserschaft zu und vermag vielleicht die einen oder anderen zu tieferer Auseinandersetzung mit der Philosophie anzustoßen. Der Stil, in dem es von der Einführung über den inhaltlichen Hauptteil bis hin zu den Biografien der AutorInnen und der Danksagung gehalten ist, orientiert sich an der Motivik und der Sprache des besprochenen Werks. Unterhaltsam ist es zum Beispiel, wenn der Verfasser von Kapitel 12 („Das moralische Glück des Tyrion Lennister“, über die Bewertung des Charakters als Triebfeder von Handlungen) seine Studierenden „mit schnörkelloser Kommunikation zu Feldzügen anstiftet“ und über den Verfasser von Kapitel 2 („Die freudlose Suche nach Glück in Westeroes“, über den Zusammenhang von Tugendhaftigkeit und Gerechtigkeit) ausgesagt wird, der Wahlspruch seines Hauses sei es, „nicht den Gold-, sondern den Silberpreis zu zahlen“. Dem Herausgeber blieb es nach eigener Aussage „erspart, verbannt zu werden und das Schwarz der Nachtwache anzulegen“ (nicht zuletzt seiner Frau wegen, der „Lady of the Looms“, die den nahenden Winter in den Hintergrund rückt).

Die Qualität der einzelnen Kapitel variiert stark, abhängig von ihren jeweiligen AutorInnen (deren Ausbildungsstadium vom Studierenden- bis zum Professorenstatus reicht), und da es offensichtlich keine vorgegebene einheitliche Struktur gab.

Stark zu bemängeln ist die Übersetzung aus dem englischen Original („Game of Thrones and Philosophy. Logic cuts deeper than swords“, 2012). In der deutschen Ausgabe sind nicht nur die Formulierungen lapidar und holperig, sondern manchmal sogar die Begrifflichkeiten irreleitend gewählt.

Ansatz und Verhältnis zwischen Theorie und Anwendung im Beispiel stimmen. Durch fundiertere Ausführungen, eine höhere optische Qualität und vor allem eine exakte Übersetzung hätte das Projekt sein Potenzial erfüllen können. So lässt es vor allem die Leserschaft, die bereits Einblicke in die Philosophie hatte, unbefriedigt zurück.

Es soll hier mit derselben Wahrheit geschlossen werden, die auch der Klappentext des Buchs bemüht, formuliert vom Vater des Fantasyepos und so universal gültig, dass sie eigentlich den Musterschluss eines jeden Textes bilden könnte: „Am Ende bleibt doch eines immer sicher: Valar morghulis – Alle Menschen müssen sterben.“

Judith Neunhaeuserer

 

Die Philosophie bei "Game of Thrones"

Das Lied von Eis und Feuer: Macht, Moral, Intrigen

Übersetzung: Bischoff, Ursula; Herausgegeben von Jacoby, Henry, Wiley VCH Verlag 2014

 

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