3. April 2008

Sublime Soundlandschaften

 

Es ist nicht schlimm, wenn man nicht sagen kann, wie etwas zustande kam. Im Gegenteil: Wenn man sich wie der in Berlin lebende dänische Musiker Raz Ohara beim Komponieren, Singen und Texten insbesondere von Gefühlen, Stimmungen und spontanen Eingebungen leiten lässt, ist man dem schönen, eigentlich zu schönen Mythos von der irrationalen Magie, die manchmal sogar in der Popmusik stecken kann, ein angenehmes Stück näher gerückt.

Ohara, der die dröhnenden Versuche seines ehemaligen Labels Kitty-Yo, ihn ob früherer Spielereien mit HipHop, Funk und Elektronik zu einer Art Prince aus Skandinavien zu machen, offensichtlich unbeschadet überstanden hat, erzählte vor Kurzem, dass die Musik einfach zu ihm komme – vorbewusst, unbewusst. Er hat Glück, dass es „seine“ Kunst so gut mit ihm meint, das heißt mit uns. Denn tatsächlich ist das namenlose erste Album von Raz Ohara & The Odd Orchestra ein ganz wundervolles Stück Musik. Alles hier klingt ätherisch zart, schwebt bald fort und kehrt dann zurück wie eine melancholisch gefärbte Erinnerung. Was wiederum gut passt zu Oharas romantisch enttäuschten Texte. die er mit der hochfragilen und stets wandelbaren Diskretion eines vorsichtigen Soulsängers vorträgt, ohne deshalb Soul machen zu müssen. Nicht von ungefähr erinnert Oharas Gesang an Robert Wyatt, Arto Lindsay oder José González.

The Odd Orchestra – das ist Oliver Doerell, kennen mag man ihn als Arrangeur subtil gefühlvoller Elektronika, die er als Dictaphone und Swodd produziert hat. Ohara und Doerell haben sich über drei Jahre lang Songfragmente hin- und hergeschickt. Die Arbeit am Album selbst folgte einer konsequenten Aufteilung. Und während Ohara also singt und dazu zeitlose, nur scheinbar irrlichternde Melodien mit bedacht schönen Refrains auf dem Fender-Rhodes-Piano spielt, erzeugt Doerell am Laptop das meist minimale Drumherum seines Privatorchesters. März’ und Turners Arbeiten nicht unähnlich, ist es auch hier die elektronische Seite, die dem Projekt zusätzliche Eleganz verschafft: mithilfe sublimer Soundlandschaften aus feinen Beats und noch feineren organischen Geräuschen. Ausnahmen bestätigen die Regel. Aber wer hat schon etwas gegen eine sanft gezupfte Gitarre oder einen Himmel voller Streicher, der einem ausnahmsweise nicht zu schwer auf die Schultern drückt.

 

Michael Saager

 

Raz Ohara & The Odd Orchestra: Dito (Get Physical / Rough Trade)

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