13. Oktober 2003

Eine Frau sucht das Glück und lacht nicht mit

 

Produktvorteil durch Vorwort

 

Von Gustav Mechlenburg

 

"Ein Buch wie ein intelligent geschmückter Weihnachtsbaum, der an einem Fenster steht, in einem kleinen Bauernhaus, draußen Schnee und Berge, und Oma lebt noch."

 

In dem vom Verlag unter dem Namen Star Collection angepriesenen Paperback sind Kolumnen und Reportagen Sibylle Bergs aus den letzten fünf Jahren versammelt. Darüber hinaus enthält der Band Auszüge aus Kritiken und Leserzuschriften. Neben Frauenrechtlerinnen, Tierschützern und sich angesprochen Fühlenden kommen darin insbesondere Literaturschützer zu Wort, die die Welt vor der Stil- als auch vor Inhaltlosigkeit Bergs zu bewahren suchen.

 

Wer bisher weder die Bücher noch die Kolumnen der Autorin verfolgt hat, erhält hiermit einen recht guten Einblick in ihr Werk. Doch auch der Kenner findet ein paar glitzernde Perlen ihrer Schreibkunst: Spannend für Insider sind vor allem die bisher nicht veröffentlichten Arbeiten. Die teilweise von den Zeitschriften und Verlagen angegebenen Gründe für die Ablehnung werfen ein erhellendes Bild auf den Kulturbetrieb und seine Veröffentlichungspolitik.

 

Expressionistische Ich-lass-die-Sau-raus-Haltung

 

Die in Anschluss an einige Artikel abgedruckten Leserbriefe spiegeln das Unverständnis der Konsumenten meist etablierter Blätter gegenüber Bergs Auffassung von Literatur wider. "Vielleicht mal bei Gräfin Dönhoff nachlesen" ist die Empfehlung eines Lesers hinsichtlich Formulierung und Redlichkeit. Und dabei handelt es sich nicht einmal ausschließlich um kleingeistige Kritik. Oftmals wird Berg zugestanden, in der Auswahl ihrer Themen, wie Ausländerfeindlichkeit, Fernsehverdummung, Armut, Vergänglichkeit, Einsamkeit, die Beziehungsunfähigkeit des modernen Menschen und nicht zuletzt die Angst vor dem Tod, den Literaten der letzten Jahrhunderte in nichts nachzustehen. Doch wird zugleich der Provokationsgestus, mit dem dies vorgetragen wird, als pubertär-albern oder gar als geschmack- und humorlos abgetan.

 

Luftzug des zynikfreien Mitleids

 

Vielleicht kommt die Ernsthaftigkeit, mit der die Autorin ihre Protagonisten und deren Gefühle beschreibt, noch mehr in ihren Romanen zum Tragen. Der "schonungslose Blick für die oftmals fehlenden Schönheiten des Lebens" verhindert dort eher die Attitüde einer selbstgefälligen Zynik. Die oft als Popliteratin verschriehene Sibylle Berg distanziert sich in dem verständnisvollen Nachvollziehen der Sehnsüchte und Unglücke der von ihr beschriebenen Personen zumindest stilistisch von ihren meist männlichen Kollegen, die ihre Maskierung trotz Icherzähler-Perspektive niemals preisgeben.

 

Die Kolumnen dagegen wirken wie geschliffene Plädoyers gegen sich selbst verkennende Spießer. Würde man Berg jegliche Fähigkeit der Selbstironie absprechen, könnten die Klischees, die sie verwendet, einem tatsächlich einige Male sauer aufstoßen. Schließlich zeugt aber gerade diese Compilation von einer ungeheuer reflektierten Sicht der Autorin auf sich, ihre Literatur und ihre Kritiker. Und so ist es zu recht ein ungetrübter Lesespaß in Bus/Bahn/Badewanne, für diejenigen, die noch nicht vor Zufriedenheit strotzen.

 

Die versprochenen reizvollen Fotografien bleibt der Verlag leider schuldig. So sei der Leser auf die Homepage der Autorin verwiesen: www.sibylleberg.ch

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Sibylle Berg: "Gold", Hoffmann und Campe 2000, auch als CD