13. Oktober 2003

Nichts gewagt

 

Kurzrezension von Gustav Mechlenburg

 

Zehn Jahre nach dem Niedergang der DDR erzählt Martina Hefter in ihrem Debütroman von kleinen, ganz alltäglichen Erfahrungen. Eigentlich hat die Icherzählerin Helen Gruber mit dem Osten nichts am Hut. Zur Wendezeit, 1989, gerade mal 15 Jahre alt gewesen und am Rand der Alpen aufgewachsen, wo "der Osten weiter entfernt ist als Italien", führt sie erst das Choreografiestudium Ende der 90er eher zufällig nach Leipzig. Hier im Osten ist vieles neu und seltsam für die Tänzerin. Städtenamen wie "Eisenhüttenstadt" oder "Karl-Marx-Stadt" klingen in ihren Ohren wie "rasselnde Nägel in einer Blechdose". In ihrer Irritation flüchtet Helen immer wieder in die Sicherheit geordneter Choreografie. Keine falschen Schritte machen: Dieser Devise scheinen auch die übrigen Personen in Hefters Roman zu folgen. Nichts wird gewagt, vieles ertragen. Dabei handelt es sich fast durchgängig um junge Menschen, die vor dem Eintritt in einen neuen Lebensabschnitt stehen. Diese spießige, fast ans Fatalistische reichende Stimmung ist gewiss klug beobachtet und in einer wunderbar klaren und sparsamen Sprache erzählt, aber doch zu wenig für einen Roman. Da hilft auch das Aufpeppen der Story mit einem tragischen Erkältungstod nicht. Schon gar nicht die gekünstelte Rahmen-Konstruktion einer Liebesgeschichte, die keine ist. Letztlich bleibt ein Buch mit schönen Einzelbeobachtungen und der sensiblen Beschreibung einer weder geforderten noch fordernden Generation, deren Charaktere wohl einfach nicht zu Romanhelden taugen.

 

 

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Financial Times Deutschland Seite: Weekend 50

Datum: 21-12-2001 Autor: *Gustav Mechlenburg*

 

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