23. September 2003

Neues aus den 80ern

Ingvar Ambjornsen, Stalins Augen. Krimi, Hamburg 2003 (Neuauflage, Edition Nautilus 1989), 264 Seiten, 14,90 Euro

Es ist ja eher selten, dass man Privatdetektive zu seinem engsten Freundeskreis zählt, aber man kennt sie ja immerhin ein bisschen aus Kino, Fernsehen und Krimi, und was man dort erfährt, klärt hinreichend darüber auf, warum man diese Leute keine Freunde haben. Sie sind Einzelgänger, interessant auf eine Art, die ein näheres Kennenlernen ausschließt, sie haben einen extrem üblen Charakter, und ihr Zynismus schützt sie davor, ein schlechtes Gewissen davor zu haben, das zu sein, was man früher einen Denunzianten genannt hat. Für Geld tun sie schlicht alles, und zum Terroristen fehlt ihnen nur eins, der Glaube an eine Ideologie, aber davor schützt sie einfach ihre Coolness – und natürlich ihre Privatheit. Dass sie das als Abenteuer ausleben dürfen, dafür lieben und lesen wir sie so gerne. In "Stalins Augen" des 1956 in Norwegen geborenen und seit 1985 in Hamburg lebenden Autors Ingvar AmbjÝ rnsen gibt es gleich zwei Privatdetektive, und diese beiden bilden auch noch ein Paar, ja sind sogar verheiratet. Aber natürlich haben zwanzig Jahre Ehe bei beiden gleichermaßen ihre Spuren hinterlassen, und so lassen sie in ihrer eigenen Beziehung eine Großzügigkeit walten, deren Unmöglichkeit bei anderen ihnen ihre Aufträge verschafft. Sie beschatten, jeder für sich, untreue Eheleute oder solche, die von den treuen Partnern dafür gehalten werden. Bei ihren natürlich ein wenig unangenehmen Nachforschungen, die schnell zu für alle Beteiligten peinlichen Nachstellungen werden, wenden sie meist die von ihnen so genannte "Büffelmethode" an, die darin besteht, möglichst authentisch durch brachiale Interventionen die In-Flagrantizität zu dokumentieren. Was den Vorteil hat, durch den Überraschungseffekt gleich noch weitere Kunden bedienen und durch den finanziell motivierten Seitenwechsel gewissermaßen zum Doppelagenten avancieren zu können. Der eigentliche Plot von "Stalins Augen" bleibt zwar im Einzugsbereich familialer Strukturen, wechselt aber die Dimension und geht von der Horizontalen (von und mit Eheleuten) über in die Senkrechte der Vater-Sohn-Filiation. Und hier kommt das zweite untypische Moment dieses Privatdetektiv-Krimis ins Spiel. Ronny und Laila Olsen sind nicht nur verheiratet, sondern haben auch noch einen gemeinsamen Freund. Der heißt Bernard und ist gleich tot, wenn man ihn kennen lernt. Was machte Bernard in Hamburg, wo man ihn als Leiche aus dem Hafen zog? Das fragt sich an einem kalten Februartag 1983 nicht nur die Polizei, sondern natürlich vor allem das ruppige und ziemlich abgehalfterte detektivische Paar aus dem Norden. Die beiden machen Bernards Tod – er wurde ermordet – zu ihrem Fall. Und ihre Reise nach Deutschland wird zugleich eine Reise in die finstere deutsche Vergangenheit. Ronny und Laila stellen bei ihren nicht ganz legalen Ermittlungen entsetzt fest, dass es Leute gibt, die noch abgebrühter sind als sie selbst. Was einschließt, dass sie positive Erfahrungen machen, von denen sie wohl selbst nicht mehr geglaubt haben, dass sie in dieser zynischen Welt noch möglich sind. Aber nicht umsonst bekommt der Krimi zum Ende hin märchenhafte Züge, die mit dem Fall wunderbar verknüpft sind, auch wenn ein Teil dieses Märchens im KZ Neuengamme in der Nähe von Hamburg spielt. Ein Genremix bleibt dem Leser gleichwohl erspart – wo märchenhafte Geldsummen im Spiel sind, fängt der Krimi erst richtig an. Oder geht, besser gesagt, genauso spannend weiter, wie er begann, und er endet mit einem klassischen Showdown, der keine Fragen offen lässt. Und die Moral von der Geschichte? Über Geld zu reden ist ganz einfach, darüber unterhaltsam, witzig und böse zu schreiben schon schwieriger (kein Problem für diesen Autor), es aber zu besitzen scheint schier unmöglich.

 

Dieter Wenk