5. Februar 2006

Wunderkinder

 

Dieser Osten! Erst gibt’s die orange Revolution, nun gibt’s in Deutschland orange eingeschlagene Bücher von blutjungen ukrainischen Autoren. Romane wie „Kult“ von Ljubko Deresch sind zuverlässige Berichterstatter. Viel zuverlässiger als Reportagen und Zahlen zum Wirtschaftswachstum berichtet die Literatur vom Zustand eines Landes. Und die Ukraine ist scheint’s ein sehr interessantes Land. Man kann dort Splatterfantasien haben, muss sie aber nicht wie beispielsweise in Deutschland rational einbetten, man ist dort verliebt wie überall auf der Welt, aber noch ein bisschen mehr.

Der Autor ist jung – sehr jung, 1984 geboren. Die Natur in seinem Roman ist ganz wild und bergig schön, und seit die Irre aus dem Wald in die Stadt gezogen ist, verläuft man sich häufiger in der Stadt. Die Ukraine scheint zurzeit „ein Ort dünner Realität“ zu sein. In Midni Buky, einem Städtchen in den Karpaten, erscheinen laut Deresch nämlich Geister und Gespenster, von denen wimmelt das orange Buch, je länger man liest, desto mehr. Verschwinden Zöglinge des Internats in den Fleischtöpfen der Großküche oder haben die Jungs nur zu viel gekifft? Der Junglehrer Jurko Banzai versteht nicht sofort, auf was für eine Teufelei er sich einlässt, als er mit einer seiner Schülerinnen eine Liaison eingeht und zu ergründen versucht, welche Mächte am Wirken sind.

 

Ljubko Deresch ist „das Wunderkind der Ukrainischen Literatur“, sagt Juri Andruchowytsch, selbst so ein ukrainisches Wunder, nur schon ein wenig erwachsener, und vielleicht sind seine Romane deshalb komplexer als die seines Zöglings. Aber auch Deresch kann uns Dinge glauben machen, die uns die Ohren schlackern lassen. Referenzen gibt es viele, und wer Lovekraft mag, wird auch mit Ljubko Deresch Spaß haben. Eine Untersuchung zu östlicher Literatur, besonders ukrainischer, und den Traditionen des internationalen Sciencefiction steht noch aus. Die Brüder Strugatzki bekommen Gäste am Wegrand.

 

Gustav Mechlenburg

 

Ljubko Deresch: Kult, Roman, Edition Suhrkamp 2005, 262 Seiten, 10 €

 

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