9. Januar 2006

Hirt im Mordschein

 

Schubert – nein Schumann, die Geierwally beim Tête-à-tête mit einem hochrangigen NSDAP-Mitglied im Adlerhorst, der Regen prasselt an die Scheiben. Es ist ein heißer trockener Tag im August.

 

Drei Prosastücke Werner Koflers in einem Band erzeugen ein grausiges Durcheinander im Kopf des Lesers. Kofler rührt das nicht. Hier wird abgerechnet, runtergezählt und abserviert. Hier wird Text neben die Wirklichkeit gestellt, alldieweil die anderen brav den Kunstliteraturrasen mähen.

 

Gepackt von den Ideen des innovativen Fremdenverkehrs, besonders in Österreich, rüstet sich Kofler zu einer dramatisch komischen Expedition, es geht um nichts weniger als die Beschriftung der Welt. Aber ständig kommt etwas dazwischen. Kofler macht sich mit einer Gruppe von Vormärzautoren und ihren Helden auf, die Frauen Goethens zu besteigen, um endlich von diesem Ausguck Literaturgeschichte zu schreiben. Platz da! Allerdings verhindern Briefe von Kafka, Rilke und Robert Walser das zügige Durchqueren des großen kollegialen Biesterfeldes. Ein Briefmarkenroman schiebt sich vor die vorherige Aussicht, verzettelt sich in philatelistisch philologischer Zähnchenwetzerei und wird von der naturwissenschaftlichen Studie „Dichter beim Zahnarzt“ abgelöst.

 

Werner Kofler gehört zu den Autoren, die heftig und rücksichtslos in ihren Texten wenden und rangieren, sodass man sich beim Lesen vorkommt wie in einem Autoskooter.

 

Es prasselt Hausmärchen, Kriminalstücke und Romananfänge, Verwechslungs- und Liebesgeschichten, die nach wenigen Sätzen von Reflexionen des Autors über den Autor unterbrochen werden. Denn dieser stellt mit Bestürzung fest, dass er in kleptomaner Neigung in den Lagerraum eines fremden Autors eingedrungen ist. Schon seit drei Seiten ist er dabei, im Keller eines Alpenhauses den Ton Thomas Bernhards zu persiflieren, und zwar sehr gut. Ja, „Es wird sich schon noch zeigen, wer der wahre Landarzt ist“. Es ist außerdem Folgendes anzunehmen: Immer wenn ein Rezensent den Namen Thomas Bernhard im Zusammenhang mit dem Autor Werner Kofler nennt, werden irgendwo in Wien, im Hause Kofler, Tintenfässchen, Computer und Schmelzkäse im Zorn durch die Luft geschleudert werden.

 

Die Prosastücke Werner Koflers sind nichts für zarte Gemüter und auf konsistente Texte abonnierte Leser. Zu barsch und spöttisch ist der Umgang mit allem, was die Kulturproduktion der letzten 500 Jahre hervorbrachte. Aber für Leser, die gern laut, dreckig und unbegründet lachen, denen der Assoziationsamok nicht wüst genug sein kann, ist „Triptychon“ eine große Freude.

 

Nora Sdun

 

Werner Kofler: Triptychon (Am Schreibtisch, Hotel Mordschein, Der Hirt auf dem Felsen), Deuticke 2005, 458 Seiten

 

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