Verschrieben
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Das Wichtigste an diesem Film sind vielleicht die Auslassungen. Nicht weniger als 13 Bücher präsentiert uns der Regisseur, aber viel mehr als die jeweiligen Titel bekommen wir nicht zu sehen. Auf der einen Seite gehen die Bücher auf in kleinen Sequenzen der Haupthandlung, die in einer Liebesgeschichte shakespearscher Art besteht und so traurig endet wie „Romeo und Julia“, an dem sich die Handlung ausdrücklich orientiert. Auf der anderen Seite wird die Bildfläche und Leinwand selbst durchschossen, indem immer wieder Zweit- und Drittrahmen den Schirm aufteilen und so zu einer verteilten Aufmerksamkeit zwingen. Diese wird so auch zeitlich nach hinten gezogen in die Epoche der Entstehung des historischen Pillowbooks einer Dame am japanischen Hof, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, Kalligrafen und Liebhaber in ein und derselben Person zu vereinigen.
Eine der Klugheitsregeln dieser Dame lautet, dass es nur zwei Dinge im Leben gibt, die Bestand haben, nämlich die Freuden des fleischlichen Genusses und die Freuden der Literatur. Und wie anders könnte man diese Freuden zusammenbinden, als indem man Literatur auf den Körper selbst schreibt. Und der Lohn für den Schreiber heißt natürlich körperlicher Genuss. Den kann er aber erst dann haben, nachdem er signiert hat, denn, so will es die Spielregel, mit der Signatur, die das Gelingen des Kunstwerks garantiert, bringt der Schöpfer sein Gesamtkunstwerk überhaupt erst zur Welt. Das muss auch der Übersetzer zur Kenntnis nehmen, der sich in die weibliche Hauptfigur verliebt hat – die heutige Autorin des Pillowbooks, dessen Führen sie den Rausschmiss aus dem ehelichen Haus kostet – und dessen erste Proben auf dem Körper der begehrten Frau diese nicht gerade zufrieden stellen. Das jiddische „Brust“ auf ihrer Brust – das ist für sie völlig inakzeptabel, Gekritzel. Aber der junge Mann schlägt ihr einen Deal vor. Er bietet sich als Medium an für den Verleger, der den jungen Mann liebt und der die junge Frau als Autorin zurückgewiesen hat.
Es klappt. Zu gut sogar. Der Verleger will den Übersetzer, hier ganz wörtlich, nicht herausgeben, zu perfekt ist die Kombination aus Schrift, Haut und Sex. Wie Intarsien sind in die tödlich ausgehende Handlung eingelegt die „Bücher“, die das „Aufschreibesystem“ zugleich gliedern und abstrahieren. Nicht alles kann auf dem Körper als Schrift stattfinden. Und nicht alles darf verkörperlicht werden. Genau mit dieser Überschreitung entsteht aber wieder Schrift, die die Vernichtung der Körper zur Folge haben kann. Die Orientierung an literarischen Modellen hat mitunter tödliche Folgen. Shakespeare ist nichts für Kinder, und der göttliche Spruch: „Und er sah, es war gut“, mit dem das Beschriftete und mit Namen versehene in die Wirklichkeit entlassen wird, bringt manchmal Gebilde hervor, um die ein erbitterter und tödlicher Streit entsteht. Körper tauscht man nicht ungestraft, wenn es um Liebe geht.
Das muss auch die Schriftstellerin einsehen, die aber gerade durch diese Blindheit, die ihr den Liebhaber raubt, zu dem wird, was sie sein will, nämlich Schriftstellerin, und die zu werden ihr ihr Freund in der Tat geholfen hat, nur anders, als die beiden sich das vorgestellt haben. Das Drama vollzieht sich an und mit den Körpern, und nur, wer nicht ganz involviert ist, kann am Ende alles lesen, wozu manche sterben mussten. Aber so viel Schrift und Kalligrafie verträgt der Film nicht, er geht vielmehr an ihnen zu Grunde. Ein Schnörkel zuviel. Mindestens.
Dieter Wenk (01.02)
Peter Greenaway, Die Bettlektüre (The Pillowbook), GB/NL/F 1996