8. Dezember 2005

Falsche Fährten der Postmoderne

 

Wenn man wissen will, ob es nicht nur postmoderne Plätze, sondern auch postmoderne Polizisten gibt, muss man sich diesen Film anschauen. Nicht nur, dass „The Big Easy“ in New Orleans spielt, einem Ort, an dem die Dinge und die Gemüter nicht so fest verschraubt sind – das behauptet zumindest Denis Quaid in der Rolle des Polizisten Remy McSwain; gleich zu Beginn befindet man sich auf der Piazza d’Italia, jenem von Charles Moore Ende der 70er Jahre erbauten postmodernen Platz, der recht schnell als Symbol für schlechte Postmoderne im Sinne von zynischer Beliebigkeit hergehalten hat. Geschadet hat es seiner Berühmtheit nicht. <?xml:namespace prefix = o ns = "urn:schemas-microsoft-com:office:office" />

 

Auf dem symbolträchtigen Gelände liegt ein Toter. Der Zuschauer hat nicht Zeit genug, genau zu schauen, wo der Tote liegt, aber genau im Zentrum von Moores dem Umriss Italiens folgenden Anlage befindet sich sinnigerweise Sizilien, das den USA die traditionsreiche Pest der Mafia gebracht hat, deren Mitglieder in New Orleans euphemistisch die „Wise Guys“ heißen. Der Tote ist vermutlich ein Opfer eines Mitglieds dieser Truppe. Dreck am Stecken hat auch er. Unter dieser Voraussetzung ist es nur zu verständlich, dass die Polizei sich diskret zurückhält und darauf wartet, dass sich die Banden gegenseitig dezimieren. Der ermittelnden Staatsanwältin (Ellen Barkin) gefällt das gar nicht. Ihr ist McSwain zu wenig investigativ. Remy versucht das Pflichtprogramm mit dem Angenehmen zu verbinden. Er ist der Polizist mit Charme, also das genaue Gegenstück zu Bruce Willis, der in diesem Film sinnigerweise nicht mitspielt.

 

Das, was Remy zunächst nicht aus dem Fall herausholt, entlockt er dem nur auf den ersten Blick harten Falkenprofil der Staatsanwältin. Man muss nicht in New Orleans leben, um süchtig nach diesem bezaubernd schüchtern-koketten Lächeln Ellen Barkins zu werden. Bringen tut das Remy jedoch nichts, denn die Verführbarkeit der Staatsanwältin hört da auf, wo die betörend-bestechenden Softskills des Polizisten auch da greifen, wo ein Polizist selbst kompromisslos ermittelnd tätig werden sollte, bei Bestechung. Remy ist also kein ganz Guter, man erwischt ihn sogar in einer Lage, in der der Griff der Hand eher zu den Handschellen als zum Portemonnaie gehen sollte.

 

Aber vermutlich ist Remy nur ein kleiner Fisch, denn nicht nur die Staatsanwältin vermutet, dass der angebliche Bandenkrieg bloß fingiert ist, um der Polizei eine lukrative Position im Drogenhandel zu verschaffen. Der Held also zwischen zwei Liebhabern, auf der einen Seite die Familie der Polizei, auf der anderen die noch nicht zu Ende verführte Anwältin, die mit unglaublich grausamen Mitteln (u.a. Tanzzwang nach Country-Melodien) dazu gebracht wird, Remy erneut Vertrauen entgegenzubringen. Aber auch Remy erleidet Grausames. Sein Bruder stirbt, in ungewollter Stellvertretung Remys. Ab jetzt sind der Polizist und die Anwältin ein Paar, zunächst beruflich, mit Überlebensdusel dann auch privat.

 

Die Doppelcodierung ist den postmodernen Polizisten schlecht gelungen. Die auf die Piazza d’Italia geschleppte Leiche verwies zwar auf das geheime Zentrum des „Stiefels“, allein sie zirkulierte nicht schön selbstreferentiell auf dem mafiös angeschriebenen Ort der Italianità, sondern stand mit einem Bein gewissermaßen außerhalb und brachte so das schöne Lügengebäude zu Einstürzen. Am Ende zieht sich die Polizei wie von selbst aus dem postmodernen Sumpf und reinstalliert die alten Werte von gut und böse und echt und unecht. Erst jetzt „geht alles“ zwischen Polizist und Staatsanwältin.

 

Dieter Wenk (11.05)

 

Jim McBride, The Big Easy – Der große Leichtsinn, USA 1986, Ellen Barkin, Dennis Quaid