30. November 2005

Roman als Pamphlet

 

Dies ist der dritte und letzte Teil der 1990 begonnenen Marc-Marronier-Trilogie, mit dem sich der Kreis schließt, denn der Held ist erneut verliebt – wie im ersten Teil –, diesmal aber in seine eigene Frau, und zwar seine zweite, Alice. Um Anne, seine erste Frau, ging es in den beiden ersten Büchern, und auch noch ein wenig in diesem. Obwohl sich das Buch Roman nennt, ist es doch eher eine Reflektion über die Frage, was Liebe mit Ehe zu tun hat. Und darüber, wie lang Liebe überhaupt dauert.

 

Marc Marronier jedenfalls behauptet, dass nach drei Jahren definitiv Schluss ist. Das erste Jahr (der Ehe) liebt und begehrt man, im zweiten ist man zärtlich zueinander, und im dritten langweilt man sich. Und die einzige Frage, die wirklich zählt in Liebesdingen, wird früher oder später die sein: Ab wann man anfängt zu lügen. Von solchen Lügengeschichten erzählt der Roman nicht. Von Anne erfährt man hier nur, dass sie die schönste und tollste Frau der Welt ist, nach der unbestechlichen Logik der Liebe aber jede tolle Frau (und jeder tolle Mann) spätestens nach drei Jahren von jeder mittelmäßigen Frau (oder jedem mittelmäßigen Mann) für einen mehr oder weniger langen Flirt ausgestochen werden kann. Immerhin passiert das Anne nicht von einer solchen, sondern von einer Klasse-Frau, Alice.

 

Während eines Urlaubs entdeckt Anne eine Fotografie dieser Frau im Portemonnaie ihres Mannes. Das ist der Auslöser des Endes einer Ehe. Marc und Anne lassen sich scheiden. Marc bemüht sich um Alice, die auch verheiratet ist. Obwohl er bereits tausend Gründe gegen die Ehe angeführt hat, schlägt er am Ende Alice, die sich für ihn entscheidet, die Heirat vor. Damit endet der erste und auch bei weitem längste Teil des Buchs. Der zweite Teil, wie könnte es anders sein, spielt drei Jahre später. Ist es Marc mit Alice genauso gegangen wie mit Anne?, ist die bange Frage des Lesers. Hat er eine andere Einstellung zur Liebe gefunden? Ist er reifer geworden? Schon im ersten Teil deutet sich – noch unter ironischen, vielleicht sogar zynischen Vorzeichen – ein Wechsel an. Dort heißt es, dass es bei der ersten Ehe um Perfektion gehe, bei der zweiten um Wahrheit. Das hört sich gut an und stimmt wahrscheinlich auch.

 

Der kurze zweite Teil führt die letzten sieben Tage vor dem entscheidenden Wendepunkt – das Ende des verflixten dritten Jahrs – im Bewusstsein des Helden vor. Bis zuletzt bleibt es spannend, denn es taucht noch eine Frau, Matilda, auf, die vielleicht noch alles zum Kippen bringen könnte. Und in der Tat, einmal wird es noch mal ganz spannend, Alice kommt früher als geplant in den Urlaubsort nach, an dem Marc sich schon befindet, am Strand schleicht sie sich von hinten an ihren Mann heran und fragt ihn schelmisch, indem sie ihre Hände vor seine Augen legt, wer sie sei. Er: Matilda. Oh weh.

 

Aber, soviel sei hier schon verraten, es geht gut aus. Marc kann sich retten, indem er seinen Freund vorschützt, als Freund Matildas. Und noch am Tag X macht es der nun zu Frédéric Beigbeder gewordene Marc Marronier spannend, indem er seiner Frau gegenüber vorgibt, lieber schreiben zu wollen (natürlich an dem Buch, das der Leser gerade liest, also auch ein nouveau nouveau Nouveau Roman!), als mit ihr den Jahrestag der Liebe und Ehe zu feiern. Als Alice abends zurückkommt, versöhnen sich die beiden, und vorsichtshalber hat der Held schon mal einfließen lassen, dass der Titel des Buchs natürlich eine Lüge sei. Q.E.D.

 

Dieses Buch muss man nicht unbedingt lesen. Aber wer Pamphlete mag …

 

Dieter Wenk (12.01)

 

Frédéric Beigbeder, L’amour dure trois ans, Paris 1997 (Grasset & Fasquelle) ; Die Liebe währt drei Jahre, Reinbek bei Hamburg 2003 (Rowohlt)