26. Oktober 2005

Ins Bild und wieder hinaus

 

Eine mittlerweile rostige Farce aus der Brecht’schen Parabelwelt, vielleicht sogar auf sie. Das jedenfalls würde das Borges’sche Zitat am Anfang plausibel machen. Denn im Film selber hat man es eher mit Medienwechsel als mit Metaphern zu tun. Also auch mit Täuschung. Denn die Postkarte der Pyramiden sind nicht diese selbst. Oder ein Foto von Josephine Baker nicht die Frau in Tanzaktion und verführerischem Reallächeln. Aber genau das wird den beiden Bauern Michel-Ange und Ulysse versprochen; einer der für den Krieg rekrutierenden Polizisten zählt so gelangweilt wie gewissenhaft auf, was es am Ende alles geben wird, wenn der Krieg für den so genannten König gewonnen sein wird. Im Grunde also das ganze Bruttosozialprodukt.

 

Das lässt die beiden schlauen Bauern und ihre Schwester und ihre Mutter natürlich aufhorchen. Na dann mal so schnell wie möglich dahin, wo man nur gewinnen kann. Und Mutter Courage winkt ihren Söhnen nach. Sie kommen überall rum. Allerdings sieht man das mehr auf den Fotos und Postkarten als in den wirklichen Kampfgefechten, in die sie verwickelt sind und wo es vornehmlich darum geht, die Zivilbevölkerung zu füsilieren. Kriegsaufnahmen aus dem zweiten Weltkrieg zieren die Taten der beiden Heroen, denen alles erlaubt ist und die auch keine Skrupel kennen. Hin und wieder bekommen die beiden Mädels zu Hause Post von den tapferen Kämpen. Später kommen sie dann mit einem kleinen Köfferchen wieder auf heimische Erde zu Mütterchen und Schwesterchen, die beide übrigens Schwestern sein könnten und für bäuerliche Verhältnisse ziemlich gut ausschauen, na ja, auch Godard hat seinen Kinopreis zahlen müssen, aber ihm war ja klar, dass hübsche Frauen sowieso reines Kino sind.

 

Also die beiden sind wieder daheim, und die Zurückgebliebenen sehr enttäuscht ob der Schätze, die in diesem kleinen Mitbringsel drin sein sollen? Das gibt Ärger. Aber die Heimkehrer vertrösten geschickt, denn was sie aus dem Koffer zaubern, ist nichts anderes als genau die Bilder, die von den auf sie wartenden Schätzen stumm sprechen. Alle Kategorien sind vertreten, da kann man zufrieden sein. Dann kommen wieder die Polizisten und dekorieren die Helden und sagen, wenn sie das Feuerwerk sähen, wäre der Krieg aus und dann gäb’s die Überraschungen. Na toll und prima.

 

Etwas später gibt es auch wirklich ein Feuerwerk, aber es sieht aus wie ein erneuter Luftangriff, nur diesmal auf heimische Erde. Egal, die vier brechen in die Stadt auf, aber der Krieg ist natürlich gar nicht zu Ende, die Verteidigungslinien wurden nur begradigt, es ist also Straßenkampf, die beiden Mädchen kommen den Männern abhanden und werden auch gleich vom Feind erwischt, geschoren und erschossen, auch wenn sie nichts getan haben. Die Jungs irren noch ein bisschen durch die Straßen, werden dann vom Feind aufgehalten und in ein Haus gelockt, wie zur Weihnachtsüberraschung, es gibt Weihnachtskugeln, nur ist leider nicht Weihnachten.

 

Dieter Wenk (04.01)

 

Jean-Luc Godard, Les carabiniers, F 1963