23. Oktober 2005

Apocalypse yesterday

 

Ein schrottiger Findling für Außerirdische, zur ungefähren Einschätzung hiesiger Verhältnisse, das wäre nicht die schlechteste Lösung. Die zwei wichtigsten Dinge, zumindest im Westen, sind dabei: Autos und Liebe. Nur eben als kaputte. Ein Ehepaar, sie hat einen Lover, er eine Freundin. Am Anfang dieses osmotische Gespräch, das Niedergehen der Amplitude, wenn sie, wie in einer Analyse, so auch der Zwischentitel, ihrem Mann von einem Dreier erzählt, und immer dann, wenn es spannend wird, der Ton, ihre Stimme abgedreht und dafür die Musik lauter wird. Ein schönes Auf und Ab, so geht das, in einer Einstellung mit verschatteten Körpern und Gesichtern, gute zehn Minuten lang. Zwischendurch wird unten auf dem Parkplatz jemand zusammengeschlagen.

 

Irgendwann bricht auch das Paar auf, in Richtung ihrer Mutter, die sehr reich sein muss. Mit den Autos hat es in diesem Film so eine Bewandtnis. Sie kommen nur in devianten Formen vor, als beschädigte und beschädigende, als Schlange stehende, als um den Baum gewickelte, als angehaltene und von Bösewichtern besetzte oder gekidnappte, als in Flammen aufgehende. Natürlich verunglücken auch Corinne und ihr Mann ziemlich bald. Ein Versuch, einem Typen das Auto abzuluchsen (Jean-Pierre Léaud), schlägt brutal fehl. Dieser steht in einer Telefonzelle und singt Botschaften in die Muschi, ähh Muschel, und den beiden wird das Warten bald zu lang, sie wollen Mami Bescheid sagen, dass es ein bisschen dauern wird, bis sie sie umbringen, ähh, bis sie bei ihr auftauchen werden, also lassen sie das Telefonieren und wollen das schicke Auto besteigen, was den Sänger dann doch veranlasst, den Hörer Hörer sein zu lassen und den beiden tüchtig eins drauf zu geben. Irgendwann sitzen sie dann am Wegesrand, sie zieht sich in eine Kuhle zurück, weil ihr müde ist, ein Tramp kommt vorbei, fragt den Gatten etwas, der rückt nicht raus mit der Sprache, dann fragt der Typ, ob sie zu ihm gehöre, und weil da wieder keine Antwort kommt, vergewaltigt er sie halt.

 

Nachher sitzt das Paar wieder ganz normal zusammen. Hin und wieder fallen so Anspielungen, verbal und inszenatorisch, auf die französische Revolution und die heutige Situation im Lichte der Texte von Marx und Konsorten. Das klingt alles nicht sehr ermutigend, erhellend schon gar nicht. Wie auch, wenn schon Märchenfiguren anfangen, mit Metadiskursen aufzuwarten, und damit an das erinnern, was gerade nicht ihre Funktion ist, was aber die so genannten schlauen Reden immer vergessen, weil sie viel zu langsam sind für das, was noch gar nicht passiert ist. Alles geht den Bach runter, unser Paar wird von Robin-Hood-Terroristen gefangen genommen, er muss sterben, wie manche andere auch. Merkwürdige Tötungsrituale werden zelebriert, erinnern an Orgien & Mysterientheater, das mit dem Schwert aufgeschlagene Ei, dessen Inhalt zwischen die gespreizten Beine der weiblichen Opfer geschüttet wird. Zitate unter anderem aus Lautréamonts Maldoror, der alte Ozean, dessen Tiefe sich nicht mit der des Menschen vergleichen könne, dass es noch manche Rätsel zu knacken gebe, was auch nach der so genannten Entschlüsselung der erblichen Struktur gilt. Wieder sehr schöne Musik.

 

Dieter Wenk (03.01)

 

Jean-Luc Godard, Week-End (Weekend), F/I 1967, Mireille Dark, Jean Yanne