21. Oktober 2005

Duales System

 

Man muss ihn nicht mögen oder gar lieben, aber bewundern darf man ihn schon. Er ist ein Tausendsassa, ein Unternehmer, bevor es finanziell so richtig los geht, und somit hätte er das gar nicht mehr nötig, was ihm am meisten zu schaffen macht und in dessen Umfeld er aufblüht: das Internat Rushmore. Er ist Präsident des Imkervereins, Beirat des Gocart-Clubs, Direktor einer Theatergruppe, die nur hauseigene, das heißt seine Stücke aufführt, und in jedem Semester kommen neue selbst auferlegte Verpflichtungen hinzu. In der ersten Hälfte des Films ist er präpubertär, obwohl er schon fünfzehn Jahre zählt, aber sein bester Freund ist fünf Jahre jünger als er, dafür hat dieser eine toll aussehende Mutter, von der unser Held, Max Fischer mit Namen, rumposaunt, dass sie es ihm auf dem Rücksitz ihres Autos besorgt hat und solche Nettigkeiten. In der zweiten Hälfte, nachdem er die Lehrerin Rosemary kennen gelernt hat, reagiert er hysterisch und wie ein verstoßener Galan.

 

Max hat nämlich ein kleines Problem. Er sieht ziemlich hässlich aus, wirkt arrogant, manchmal auch sehr hilflos, trägt eine Zahnspange, kommt aus kleinen Verhältnissen (sein Vater ist Friseur, seine Mutter bereits tot), und er weiß natürlich, dass er über Gaben verfügt, nach denen sich ein sehr großer Teil der Erwachsenen die Finger lecken würde. Also versucht er die totale Lösung und bemüht sich darum, auf Unwiderstehlichkeit zu spielen, und zwar bei allen, die er trifft oder mit denen er zu tun hat. Das macht ihn nicht unbedingt beliebter und seine schulischen Leistungen auch nicht gerade erfolgreicher. Er fliegt sogar von der Schule, was sich insofern gut trifft, als er gerade dabei ist, seiner angebeten Lehrerin tierisch auf den Geist zu gehen, weil er da so ein paar Sachen durcheinander bringt und er natürlich nicht die naive Klasse eines Dustin Hoffman aus der Reifeprüfung gegenüber Miss Robinson hat.

 

Das wirkt nämlich alles nur sehr peinlich und kommt auch nicht so richtig witzig rüber, weil die Grenze einfach zu groß ist zwischen einer sexualisierten Frau (auch wenn sie sehr kindsfrauenmäßig wirkt) und diesem frühreifen Erwachsenen, dem man aber den Schwanz nicht anmerkt. Und da hilft es auch nichts, wenn man am Ende des Films ein bisschen Cat Stevens spielt, um Nostalgie aufkommen zu lassen und dem Bub die Weihen des Graduate zu verleihen. Viel ehrlicher wäre es doch wirklich, wenn er gleich bei der süßen asiatischen Maus zugebissen hätte, die er aber leichtfertig abserviert, um ihr erst am Ende ein wenig freundlicher zu kommen, nachdem er sie in sein eigenstes Arbeitsfeld, nämlich ein Theaterstück, hat integrieren können. Am schönsten im Film der arme Millionär, Bill Murray, der Liebeskonkurrent von Max, der ins andere Extrem abgleitet, als er merkt, dass er nichts reißen kann. Aber alle zusammen ziehen sich dann am Ende gemeinsam aus dem Schlamm, Kultur bringt alle wieder ins Gespräch, was doch so ein Theaterstück über den Vietnamkrieg nicht alles bewirken kann. Schon viel geschmunzelt, aber irgendwie auch ein Scheißfilm.

 

Dieter Wenk (03.01)

 

Wes Anderson, Rushmore, USA 1998, Bill Murray, Jason Schwartzman u.a.