6. September 2005

Alltag und Einbruch

 

Der so genannte Dude ist ein Geck, der damit kokettiert, dass er anscheinend kein Problem mit seinem fehlenden Sinn für Klamotten hat. Liegt das daran, dass er arbeitslos ist und kein Geld für so was hat? Oder eher daran, dass er sich in einem ziemlich miesen unterirdischen Milieu herumtreibt und sich auf einer Bahn bewegt, vor der man nur das kalte Grauen kriegen kann – er bowlt nämlich. Und da er auch kein Problem mit seinen beiden auf ihre Art völlig unterschiedlich ätzenden Freunden hat, wüsste man nicht zu sagen, wo dabei der geradlinige Weg des behüteten Schwachsinns verlassen werden könnte. Das Arrangement ist perfekt, nichts fehlt, man kennt sich, man weiß, wo man nervt, ohne befürchten zu müssen, dass sich daraus gravierende Konsequenzen ergeben, und so kann Donny weiterhin den Papageien spielen und Walter den grantigen Juden, der Vietnam mitgemacht und dem man dort doch nicht sein weicheiiges Herz weggeschossen hat.

 

Der Dude, alias Jeff Lebowski, bleibt bei all dem gelassen, vermittelt, wo es nötig ist und will eigentlich nur seine Ruhe haben. Da man solcherart nur unter phänomenal günstigen Bedingungen einen sehenswerten Film erzeugen kann, muss etwas anderes passieren, was natürlich nur von draußen in diese präsenile Zone des behaglichen Stumpfsinns einzudringen vermag. Eine Verwechslung, perfekt. Es gibt noch einen zweiten Jeff Lebowski, auch ein Vietnamkämpfer, dem man allerdings seine Beine weggeschossen hat. Dafür, das gibt er jedenfalls vor, ist er wirtschaftlich ein Ass. Und er scheint viel Geld zu haben. Ein Überfallskommando, das auch nicht sehr helle wirkt, dringt nun gleich zu Beginn des Films beim Dude ein und merkt erst ziemlich spät, dass das wohnliche Ambiente nicht notwendigerweise darauf hinweist, dass der hier Residierende die Insignien eines schwerbeladenen Kapitalisten trägt. Vielleicht wies der Teppich in eine solche Richtung, das Lieblingsstück des Dude? Auf den einer der Übeltäter pisst – aber anständig, nämlich mit dem vom Dude und damit vom Zuschauer abgewandten Geschlecht, dieser Takt muss sein. Trotzdem, die Räuber ziehen bekehrt ab, und der Dude wendet sich an seinen Namensvetter, um wenigstens seinen Teppich ersetzt zu bekommen.

 

Jetzt kommt Leben ins Spiel, die Tochter des Krüppels ist angeblich entführt worden, der Dude soll das Geld übergeben. Jeder will jeden austricksen, Lebowski den Dude, weil im Aktenkoffer gar kein Geld drin ist, die in Pornos mitspielende Tochter ihren Vater, da sie sich quasi selbst entführt hat und das Geld braucht, um Schulden zu bezahlen, Walter den Dude, da er den Entführern nicht den Aktenkoffer, sondern nur eine Tasche mit stinkender Unterwäsche überlassen will, und Dude die Polizei, die mal wieder die allerdämlichste Rolle übernehmen darf. Ein Film, der ausschließlich durch Situationskomik lebt, der also viel addieren muss, damit die Rechnung aufgeht. Dass sich das Risiko des Nullsummenspiels gelohnt hat, zeigt der Status, den der Film mittlerweile genießt.

 

Dieter Wenk (02.01)

 

Noel & Ethan Coen, The Big Lebowski, USA 1997; Jeff Bridges u.a.