2. September 2005

Engel legen keine Eier

 

Dem italienischen Schriftsteller Italo Calvino zufolge müssen Bücher dünn sein. Auch der Niederländer Cees Nooteboom mag das. „Paradies verloren“ ist ein federleichtes, elegantes Buch. Engel verkünden seine Botschaft und fliegen voran nach Sao Paulo, Australien, Amsterdam und zur Kur in die Alpen.

 

Bereits im Prolog zum Roman beginnt man zu fliegen, mit einer Dash 8-300, zusammen mit dem Autor selbst. Ein kurzer Flug von Friedrichshafen nach Berlin. Wie es sich für einen Prolog gehört, verrät der einiges über die Methoden zu beobachten, worum es geht und wie es überhaupt zu diesem Roman kommt. Nootebooms Ich-Erzähler beobachtet eine junge Frau, die in dem Buch liest, welches man selbst lesen wird, und blättert nebenbei im Magazin der Fluggesellschaft, mit Artikeln zu Australien, den Aborigines und Sao Paulo. Der Leser des Romans wird alles wieder finden, was der Prolog verspricht.

 

Zwei Mädchen reisen von Sao Paulo nach Australien, um die Botschaften der dortigen Steinzeichnungen zu verstehen, denen sie ihre ganze Kindheit lang hinterherfantasierten, das klappt natürlich nicht, und schließlich sind sie so abgebrannt, dass sie in Perth bei einem Kunst-Festival als Verkündigungsengel jobben. Ein griesgrämiger Literaturkritiker, der zu viele schlechte Bücher in seinem Leben lesen musste, fährt nicht ungestraft vom Niederländischen Flachland in die Alpen, denn dort erscheint ihm sein Engel aus Perth, sinnigerweise als Physiotherapeutin. Alle Figuren des Romans betreiben die schönste „Pornografie des Geistes“ auf der Suche nach dem Stein der Weisen, der sich vor allem als Mühlstein am Hals der Weißen entpuppt.

 

„Das Leben ist als Koch ein völliger Idiot“, die Literatur profitiert davon. Solche Formulierungen beweisen die Souveränität Nootebooms beim Schreiben über Inhalte, die dazu neigen, ins melodramatisch Kitschige abzuglitschen. Hier geht es lediglich um missverstandene Botschaften, nicht um die besten Kochrezepte. Schon die Vertreibung aus dem Paradies war ein Missverständnis, und alle Bücher, erst recht die Bücher Nootebooms haben die geheime Absicht, durch einen zauberhaften Irrtum ein weiteres Buch zu eröffnen.

 

Nora Sdun

 

Cees Nooteboom: Paradies verloren, Roman, Suhrkamp 2005, 157 Seiten

 

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