15. August 2005

Instruktion und Intervention

 

Wenn in Costa-Gavras „Z“ die Obertöne durch die mehr oder weniger deutliche Komik eingespielt werden, so in dem vier Jahre später entstandenen „Der unsichtbare Aufstand“ durch die Sentimentalität, die am Ende des Films sich hörbar macht. Aber natürlich ist sie auch zu sehen, nachdem die Masken gefallen sind und damit die Entscheidung unwiderruflich getroffen wurde, den angeblichen Kommunikationsdesigner, später mutmaßlichen, zuletzt tatsächlichen Polizeiausbilder im Auftrag der USA, Philip Michael Santore (Yves Montand), zu töten. Außerdem hat ein Tausch stattgefunden. Der Kidnapper, der Santore so penibel wie korrekt befragt, wird zuletzt ausgetauscht, am Ende scheinen sich nicht mehr zwei politische Widersacher, sondern zwei Menschen gegenüberzustehen, die der Zufall zusammengeführt hat und die eine unerbittliche Logik zu einer Maßnahme treibt, die keiner gewollt hat und doch getroffen werden muss. <?xml:namespace prefix = o ns = "urn:schemas-microsoft-com:office:office" />

 

Der Zuschauer weiß schon, dass am Ende ein Mord stehen wird. Man sieht Santore tot in einem Auto liegen, während Polizei und Militär die Stadt in ein Untersuchungsgefängnis verwandeln. Dann wird die Zeit zurückgedreht. Eine Woche vor dem Mord werden verschiedene Persönlichkeiten entführt. Dem Journalisten Carlos Ducas (gespielt von einem O.E. Hasse, dem die kaum zu lösende Aufgabe überantwortet wird, den kritischen Blick mit der Tendenz zur Allwissenheit zu vereinigen, eine quasi-kubistische Anlage, die sich physiognomisch nur schwer ertragen lässt), der für den Zuschauer den fehlenden Untersuchungsrichter spielt, fällt auf, dass es keinen plausiblen Grund gab, Santore zu kidnappen. Niemand weiß etwas über ihn. Der Film funktioniert wie ein analytisches Drama, Punkt für Punkt wird Santores Vergangenheit rekonstruiert. Er ist ein bunter Hund in Südamerika, kaum ein Land, dem er nicht gewisse Kenntnisse vermittelt hat. Die etwas über rein technische Belehrungen hinausgehen. Und wo es durchaus einen Unterschied macht, ob die Tätigkeit in einer Demokratie oder unter einer Militärjunta ausgeübt wird. Santore hilft also dabei, die bislang maroden Polizeikohorten mal richtig aufzustellen. Etwas effizientere Untersuchungsmethoden einzuführen, zum Beispiel Frage-Antwort-Spiele, die durch elektronische Verstärkung auf Trab gebracht werden. Oder auf ein anderes Niveau gehoben, und sei es das der Lüge aufgrund von nicht aushaltbarem Schmerz.

 

Der Guerillero als Inquisitor vermag durch Informationskompetenz zu überzeugen. Einen Schein in Kommunikationsdesign hat er auch irgendwo gemacht. Santore ist das alles nur lästig. Muss natürlich vieles zugeben. Aber letztlich diene das ja alles einem guten Zweck. Zuerst beschneidet man die Freiheit, um die Feinde der Freiheit zu beseitigen, dann schenkt man nicht die Freiheit, sondern sucht nach neuen Feinden. Es wird immer welche geben. Diese Logik möchte die Linke durchbrechen. Ist aber durch den Ewigkeitscharakter des Spiels des Feinds auf eben jene Mechanismen angewiesen, die man eigentlich verurteilt, nämlich einfach so Leute wegschnappen. Am Ende ist klar, wer am längeren Hebel sitzt. Derjenige, der es sich erlauben kann, einen Vertreter durch einen anderen auszutauschen. Diese Art der Ersetzbarkeit gibt es bei den Guerilleros nicht. Hier zählt jeder einzelne Kämpfer. Und letztlich jeder einzelne Mensch. Die Sinnlosigkeit der Tötung Santores ist allen Kämpfern bewusst, sie ist bloß noch taktisches Kalkül. Weil es ja danach irgendwie weitergehen muss. Lieber mit dem Vorwurf der Härte als dem der Schwäche leben. Den Mord selber sieht man nicht mehr. Vermutlich, weil es Tränen gegeben hat.

 

Dieter Wenk (08.05)

 

Constantin Costa-Gavras, Der unsichtbare Aufstand (Etat de siège), BRD/F/I 1972, mit Yves Montand, O.E. Hasse, Renato Salvatori u.a.