13. August 2005

Diäten aus Fernost

 

Auch vier Jahre nach „The Isle“ wird der Zuschauer seinen Psychologie-Baukasten geschlossen lassen können. Das Schweigen ist eher ritueller denn krankhaft-seelischer Natur. Zumal „Bin-Jip“ keinen Anlass gibt, in verborgene Tiefendimensionen einzudringen, um nach traumatischen Urszenen zu suchen (es sei denn, man geht in die Phallus-Falle via Golfschläger). Man kann also sagen, dass Tae-Suk, der Motorrad fahrende „Held“ dieses Films, irgendwann beschlossen hat, trotz „guter Ausbildung“, auszusteigen, nicht mehr zu reden, und ein eigenartiges Leben zu führen, das ihn, was er selber entscheiden kann, jeden Tag in neue, unbekannte Räume führt.

 

Eine einfache Methode hilft ihm dabei. Er verteilt scheinbar im Auftrag irgendeiner Firma Werbezettel, die er aber nicht in den Briefkasten wirft, sondern mit einem Klebestreifen versehen an die Haustür heftet. Wenn er Abends erneut die Runde macht, kann er leicht sehen, welche Zettel noch da sind. Dann öffnet er sein Köfferchen, holt sein Besteck raus, und öffnet die Tür. Geht in das Haus, schaut sich bescheiden um, lässt alles, wie es ist, repariert Kleinigkeiten als Dank seiner unerbetenen Anwesenheit – richtet also kurz gesagt keinerlei Schaden an. Einmal ist er jedoch nicht ganz alleine. Eine junge Frau, Sun-Hwa, hat Probleme genug, dass sie nicht gleich hysterisch anfängt zu schreien, um nach der Polizei zu rufen. Sie lernt den Eindringling beim Kennenlernen ihres Hauses kennen. Auf Distanz. Ohne dass er etwas von ihr merkt. Ausgerechnet beim Onanieren erwischt sie ihn dann doch. Dann kommt auch noch der Gatte nach Haus. Erfolgreicher Geschäftsmann, der kein Händchen für seine zarte Frau hat, nur Schläge. Tae-Suk wird zum Prinzen, bestraft den bösen Gatten mit seinem Lieblingsspielzeug, den Bällen des Golfspiels, und wirft schon mal die Maschine an. Sun-Hwa kommt mit.

 

Von jetzt an gibt es zwei Eindringlinge. Sie spielt das Spiel mit, redet nicht, hilft mit beim Wäscheputzen für den Gastgeber wider Willen. Beim zweiten Mal, als die beiden Penaten überrascht werden, gibt es Ärger, Tae-Suk wird des Mordes bezichtigt, die Polizisten sind unangenehme Gesellen, der eine jedenfalls, der andere merkt, dass Tae-Suk anscheinend gar kein „so schlechter Mensch“ sei wie angenommen. Für Sun-Hwa scheint das kurze neue Leben zuende, ihr Mann holt sie ab, gibt sich geläutert, aber so schnell geht so was natürlich nicht. Tae-Suk wird eingesperrt, und ab jetzt passieren seltsame Dinge. Möglichkeiten, die als Tatsächlichkeiten gezeigt werden. Was macht jemand, der als Hausgeist sein Auskommen gefunden hat, sich aber in einem Gehäuse wiederfindet, das er sich nicht ausgesucht hat? Er muss sehen, dass er da möglichst schnell wieder raus kommt. Und das irgendwie vor dem Ablaufen der Frist. Von daher die selbstmörderischen Spiele, die Tae-Suk mit dem Gefängnisaufseher spielt. Das dritte Auge weist den Weg. Der Körper ist schnell zurückgelassen, die Seele hat noch Kraft genug, sich hier und da zu rächen.

 

Und dann ist er wieder da, wo sie wieder ist, bei ihrem Mann, der ihn, den Geist nicht sieht, Sun-Hwa natürlich schon, die wieder ganz glücklich wird, was ihr Mann natürlich nicht begreift – der Kuss zu dritt sichtbares Modell, dass vor allem in der Liebe Unsichtbarkeiten regieren. Die schönste Einstellung des Films (die Sache mit den zerschnittenen Fotos am Anfang sicherlich ein bisschen zu deutlich): die beiden Liebenden wiegen sich, und die Waage bleibt bei 0 stehen. Traumhaft leicht. Aber ganz und gar nicht menetekel ufar-sim.

 

Dieter Wenk (08.05)

 

Kim Ki-Duk, Bin-Jip, Korea 2004, Lee Seung-Yeon, Jae Hee