11. August 2005

Du bist ich ist ein anderer

 

Da hat also ein Thema sein gefräßiges Maul mal wieder riesig weit aufgemacht. Nichts weniger als der Weltuntergang. Zusätzlich gepaart mit dem Spektakel einer Sonnenfinsternis… Seltsame Dinge geschehen. Ein Mann steigt auf dem Land, auf einem Feld, aus der Erde heraus, aber er tut dies so, als ob er sich in einer Stadt befinden würde, und zwar in ihren Gedärmen, denn er entsteigt der Kanalisation. Auf der Autobahn hält er ein Taxi an. Der Fahrer bekommt von seinem Fahrgast so merkwürdig unpräzise Antworten, manche sind ganz seltsam, aber noch verrückter ist, dass dieser Typ hellseherische Fähigkeiten zu haben scheint. Er erzählt dem Fahrer von dessen immer wiederkehrenden Träumen, die gar nicht lustig sind. In dem Moment gibt es für Katz, den Fahrgast, nichts mehr zu reißen als die Übernahme. Er durchschaut seine Gegenüber, was auch durch einen Spiegel im Taxi passieren kann, und dann schaut er richtig durch sie durch, bis zur Anverwandlung.

 

So passieren seine Metamorphosen. Ein Taxifahrer, ein Minister, ein Schuljunge, ein seniler Krüppel, ein U-Bahnangestellter, er lässt sie alle zurück, führt ihre Existenz weiter, bis zum nächsten hallo, du bist so unwiderstehlich, aber warum das so sein muss, fragt sich nach einigen solcher Exerzitien der nicht so sehr mit Gedankenübertragung und Seelenaustausch Bewanderte dann doch. Und zwar mag man sich das genau dann fragen, wenn diese ausgetauschten Gestalten an so genannten gesichtslosen Großstadtflächen entlang wandern, wie ewige Juden, und man sich des Gefühls nicht erwehren kann, dass es dem Film auch so geht, er schlängert sich entlang von einer Transformation zur Nächsten, die auch mal ganz witzig sein kann, aber das, was diese kleinen erfreulichen Eindrücke immer überlagert, ist die Bemühtheit der Sonderbarkeit, die gewollte Inszenierung des Unvorhersehbaren. Kann man sich da noch wundern, dass der Präsident von Scotland Yard blind ist? Und doch der Einzige, der alles checkt? Ein bisschen wie im Märchen. Und im Märchen darf natürlich auch der Vollidiot nicht fehlen.

 

Hier heißt er Dave. Dave sitzt vor ganz ganz vielen Monitoren, zusammen mit einem Kollegen, und neben ihrer Tätigkeit, dass sie halt schauen, was auf den Monitoren, die die Stadt ausschnittweise zeigen, so passiert, spielen sie ein Spiel, nämlich zu raten, welchen Monitor der andere gerade betrachtet. Tomas Katz, der auch hier mal vorbeischaut, bringt Dave ein neues Spiel bei, das wirklich viel besser ist, denn es hat richtige Effekte im wirklichen Leben. Dave soll London allmählich auslöschen, das ist die Spielanweisung, und das macht er so, da Katz auf den IQ seines neuen Freundes Rücksicht nehmen muss, dass Dave einfach nur etwas denkt – und weg ist es. Zum Beispiel die Röcke der Mädchen, hah, hah, so dumm ist er vielleicht doch nicht, dieser Dave. Aber dann kommt, was kommen muss, das leidige Problem mit der Logik und der Selbstanwendung. Sie ahnen es, nein, Sie wissen es jetzt, Dave schafft sich natürlich selbst ab. Auf eine nicht ganz so dumme Art macht das auch der Film mit sich. Blackout.

 

Dieter Wenk (01.01)

 

Ben Hopkins, Die neun Leben des Tomas Katz, GB/BRD 1999