6. August 2005

Pragmatisches Trio

 

Was man hin und wieder vergisst, wenn man an die Schweiz denkt – und neben dem Bankgeheimnis und den Alpen gibt es ja nicht so viel Anlass, dauernd dieses nette Land im Kopf zu haben – ist, dass es auch in den Schweizer Städten, zum Beispiel in Genf, eine Hausbesetzerszene gibt und dass auch Schweizer Männerbünde einem Angriff ziemlich schutzlos ausgeliefert sind: den Frauen. Noch dazu, wenn diese aus Frankreich (Strasbourg) kommen und gut aussehen. Wie Nina. Nina übersetzt. Und das möchte sie gerne in Genf tun, bei ihrem Liebsten, Maurizio, der nach einem Jahr Aufenthalt in Paris ebenfalls nach Genf und speziell in seine ehemalige Hausbesetzerheimat zurückkehren will. Wo schon sein bester Freund Arno auf ihn wartet. Aber Nina darf – darin hat sich in der Schweiz seit den dunklen Jahren der Emigration anscheinend nicht viel geändert – nur als Gattin eines Schweizers bleiben. Lösung: Scheinehe.

 

Aber warum heiraten Maurizio und Nina nicht gleich? Zu bürgerlich? Nein, ohne das würde es natürlich den Film nicht geben. Die beiden Männer sind ziemlich gegensätzlich: Maurizio geht in die Machoecke, wo ihn Nina auch schon ausgezählt hat, weil er zugab, sie zweimal betrogen zu haben (es war nur Sex, keine Liebe, typisch Mann). Seine Frisur ist interessant, sie kommt ein bisschen proletarisch daher (vomilahila), er läuft gern im Unterhemd rum, auch draußen (es ist Sommer). Arno dagegen zurückhaltend, er mag keine erotischen Komplikationen, deshalb hat er auch keinen Sex. Er trinkt, wie der Titel das ankündigt, auch keinen Kaffee und besitzt kein TV, wobei diese Trias nicht so sehr wie ein verkappter Barbara-Syllogismus zu verstehen ist. Es ist einfach ein ganz netter Titel. Es ist auch ein ganz netter Film. Es kommt, was kommen muss. Die Anfangssympathie zwischen Nina und Arno überschreitet die Grenzen des Verbots: Die Frau (Freundin) des besten Freundes ist tabu. Außerdem muss Maurizio auch noch mal nach Paris. Ach, wie schön kann auch Genf für frisch Verliebte sein, es muss nicht immer Paris, London, New York oder Berlin sein. Aber ganz so kaputt wie die gerade genannten ja dann doch auch sehr problematischen Größer- und Größtstädte ist Genf nicht. Sicher, Probleme zwischen dem zurückgekehrten und schließlich auch in Kenntnis gesetzten Maurizio und dem frisch gepaarten Paar bahnen sich an, lösen sich aus, eskalieren...

 

Aber dann kommt die Schweizer Strategie fürs Praktische ins Spiel, und die heißt: Separation. Jeder erst mal zurück in sein Kästchen. Wenn ein bisschen Zeit verstrichen ist, wird man sehen, was von den Verwirrungen übrig geblieben ist. Und in der Tat: Bei der Hochzeit zwischen Nina und Arno, wie gesagt, eine Scheinehe, läuft wieder alles Bestens. Die beiden Freunde verstehen sich wieder, Arno darf einmal oder so pro Monat über Nina steigen (wo er ja eh nicht so auf Sex steht, prima Ausweg aus der anfänglichen Sackgasse) und Nina und Arno bleiben natürlich neben den ehevertraglich garantierten Schäferstündchen auch dicke Freunde. Stimmt schon, die Schweizer Berge sind Spitze, aber sonst sieht alles nach medium aus. Was ja auch von Vorteil sein kann, wenn man nur an den modus vivendi denkt. Schweiz, du hast es besser.

 

Dieter Wenk (01.01)

 

Romed Wyder, Pas de café, pas de télé, pas de sexe, Schweiz 1999