23. Juli 2005

Nordsüdgefälle

 

Rivalität auf dem Kiez? In den späten 60er Jahren waren die, die heute aus Albanien ihre schützende Hand über das Viertel legen, Wiener? Hat man da richtig gehört? Ja. Nicht nur die Miezen, ob blond, ob braun (auch in der Hautfarbe), auch der gute Pimp lässt nicht lange im unklaren, wo der Wind herweht. Aus der Welt des Schmähs, die aber natürlich auf diesem Gebiet ihre Portion an Brutalomäßigkeit und Kurzer-Prozess-haftigkeit zugeteilt bekommt. Aber die authentische Kiezluft, jedenfalls anscheinend damals, weht entschieden kühler, hanseatischer, préjugé oblige. Der Hamburger Pimpschurke ist Horst Frank, raue Schale, rauer Kern, da gibt es wirklich gar nichts zu lachen. Die andere Welt des Anzugs. Mit ihrer ganz eigenen Seriosität, Überzeugungskraft, die sich nicht selten auf die Kräfte apportierter Helfer zu stützen weiß, schließlich ist der Anzug weiß, den man trägt. Wien hat also schlechte Karten, Wien muss weichen, ausweichen, vielleicht nicht gleich ganz zurück, wie wäre es mit Lübeck?

 

Aber in diesem Milieu heißt es alles oder nichts. Die Damen also sollten natürlich schon bleiben, aber mit einem anderen Auftraggeber. Und weil das eigentlich nicht so wahnsinnig spannend ist, kommt noch ein drittes Element ins Spiel, ein Einzelgänger, ein Luftikus, einer, der ein bisschen hereingelegt wird, von sich selbst eigentlich, weil er zuviel hascht und demzufolge keinen mehr ordentlich hoch kriegt, was die sinnenreduzierte Dame, die ihn bedient, immerhin noch merkt, auch wenn sie nichts hört und nichts sagen kann. Ihm aber vergeht hören und sehen, als sich das gute Ding von ihm abwendet und sich wieder ankleidet, dann wenigstens wieder Geld zurück, es kommt, was kommen muss, ein Kampf, ein Messer, es fließt Blut, der Typ muss fliehen. Horst ist natürlich stinke sauer, war das ein Gruß aus Wien? Der Bulle, dem auch fast die Tränen kommen, warnt vor dummen Handlungen. Aber der Polizist muss zusehen, bis er Daten geliefert bekommt, er steckt einfach zu wenig drin, auch wenn er weiß, wie der Hase läuft. Kiez heißt Eigeninitiative, Eigengesetzlichkeit, voröffentliches Tauschprinzip.

 

Dann gibt es da noch diesen völlig charakterlosen Dreifachagenten, der bloß zu blöd ist, ein für allemal zu sagen, wo er hingehört –  deshalb kriegt er auch öfter mal in die Fresse. Um sich wieder zu beweisen, aber er kommt nicht raus aus der sich aufspreizenden Abhängigkeit. Das reizt sich dann so lange, bis eine Partei auch nicht mehr weiter weiß und ihn dann vorher noch schnell opfert, wo es nichts mehr zu verlieren gibt. Showdown in der Nähe des Fischmarktes, der Prostituiertenmörder verliert sein Leben, ebenfalls der Möchtegernüberall, und leider auch der Polizist, der nicht nur Gesetz ist, sondern eben auch einen Körper hat, den man totschießen kann, was Horst macht. Dann macht Horst sich davon. Seine Anzugjacke wartet auf ihn.

 

Dieter Wenk (12.00)

 

Jürgen Roland, Die Engel von St. Pauli, D 1969