19. Juli 2005

Grenzgänge

 

Hin und her, über die Grenze und wieder zurück, Stauraum der Kriminalität, Drogen, Banden, auch von Familien, interne Zwiste, das kann einem schon mal das Leben retten – oder kosten. Und alles fing an mit einem Mord, am Mord einer Polizistengattin. Seitdem, Abstieg des Besagten, Trunkenheit, moralischer Verfall, Eindringen des Bösen, kein Widerstand mehr möglich. Eine ganz einfache, alltägliche Geschichte, hier wird sie nobilitiert, ergänzt und schließlich ersetzt durch eine andere Ehegeschichte, die des mexikanischen Drogenfahnders und seiner Frau, die es auf der anderen Seite der Grenze, da, wo eigentlich law and order regieren sollten, mit einer geballten Ladung an Heimtücke zu tun bekommen. Die Rollen sind klar verteilt von Anfang an, die Sympathieträger begrüßen den Zuschauer mit einem dicken Kuss, direkt vor dem dicken Knall, der dann alles ins Rollen bringt.

 

Ein Auto explodiert, bald wird ein Verdächtiger festgenommen, der böse Bulle will ihm das Ding mit dem Dynamit reinschieben, in die Papierbox im Bad, aber der Fahnder hat gut aufgepasst, erster (mindestens) Verdacht, spätestens ab da muss der gute Mann an mehreren Fronten kämpfen, und dann noch die Geschichte mit seiner Frau, der ein kleiner Fall von drogue-addiction angehängt werden soll, dazu noch ein Mord, allzu subtil können die Kontrollen da ja nicht gewesen sein, leichtes Spiel für den Fettwanst, aber auch hier gibt es immer das kleine Detail, das dafür sorgt, dass die Bösen fallen, zum Beispiel dadurch, dass sie ihre Stützen vergessen, die sie vor dem Fallen hüten sollten, tja, da werden dann auch die Getreuesten schwach und bringen das abgekartete Haus zum Einstürzen, Seitenwechsel, nach der langen ersten Halbzeit, danach geht es ja dann immer sehr schnell, Verfolgungsjagden, Erpressungen, unfreiwillige Geständnisse, letzter Grenzwechsel, bevor das Liebespaar als Heiratspaar wieder zurück nach Mexiko fahren kann.

 

Das Böse also nur als Effekt, als Unfall, kontingent, das merkt man schon daran, gleich am Anfang, dass man den Drogenfahnder für Orson Welles selbst hält, in seinen jungen noch unfetten Jahren, also eine Art Rückantizipation, wir haben mit den besten Absichten angefangen, dann schlug das Schicksal zu, und wo viel Liebe ist, ist auch viel Leid, Groll und Rache. Der Titel scheint das subtil anzudeuten, touch, ein Hauch, das Atmen in der Kälte der Einsamkeit, die man nicht wollte. Anders gesagt, das Böse hinkt, genau wie Orson Welles in dem Film, und der Stock, den er hinterlässt, mag als Zeichen des Bösen gelesen werden, als etwas, was ihm im Grunde nicht gehört, mit was er sich aber doch hat identifizieren müssen. Aber das wird nicht mehr wichtig sein in seinem letzten Interview, das er seinem übergelaufenen Kollegen und besten Freund gibt, die Konversation mit dem Draht zum Gesetz, unterschwellig, und so offensichtlich wie der Hall unter der Brücke, die das letzte Crossing bedeutet für das korrupte Paar, das den Einen läutert, den anderen nicht. Ganz klar, der Überläufer hat nicht geliebt, in ihm ist nichts zerbrochen, und er hat gesehen, was es heißen kann, ein Paar zu zerstören. Der Blick hinter Gitter läutert, da wo Opfer wieder zusammenkommen und sich ihrer Liebe versichern. Wer kann da widerstehen?

 

Dieter Wenk (12.00)

 

Orson Welles, Touch of Evil, USA 1958/98