17. Juli 2005

Wenn die Gondeln Agenten tragen

 

Ein Propellerflugzeug in den Bergen. Es ist weiß, weiß wie der Schnee auf den Gipfeln. Fliegender Tarnanzug. Am Heck des Flugzeugs ein Hakenkreuz. Dann schaut man hinein in den Transportraum. Menschen in weiß. Militär. Eine Handvoll Leute, die nicht wie Nazis aussehen. Etwas Astronautisches liegt in der Luft, aber kurze Zeit später springen die Soldaten mit ihren Fallschirmen aus dem Flieger. Am Boden erneut weiß auf weiß. Man muss auf die kleinsten Unterschiede schauen, um erkennen zu können. Das könnte ein Motto für Agenten sein, denn um solche handelt es sich bei der kleinen Schar aus Großbritannien. Ein Amerikaner, Morris Schaffer (Clint Eastwood) ist auch dabei. Ein hoher amerikanischer General, der in Kriegsgefangenschaft geraten ist, soll aus einer deutschen Trutzburg, dem Hauptsitz der deutschen Gebirgsjäger, befreit werden. Angeblich ist der General im Besitz kostbarsten militärischen Wissens. Und bevor Gestapo oder SS zuschlagen bzw. subtil quälen, soll der Gefangene befreit werden.

 

Der Führer der kleinen Truppe, der erfahrene Major Smith (Richard Burton), zieht von vornherein einen Sicherheitsgürtel um sich herum, in den nur absolut Vertraute wie etwa seine Geliebte (Mary Ure) eindringen, die mit von der Partie ist und für die Versorgung der eigenen Männer und die Bezirzung etwaiger deutscher Bösewichte zuständig ist. Schon gleich am Anfang passieren seltsame Dinge. Die Truppe scheint sich selbst aufzufressen. Und die hohen Mauern, die man anfangs die Burg uneinnehmbar umgeben sah, haben doch Lücken, die ein unauffälliges Eindringen der britischen Agenten ermöglichen. In deutschen Uniformen tummelt man sich im Lokal und horcht sich ein bisschen um. Dann fliegen die Briten auch schon auf: Sie stellen sich diskret und freiwillig, getrennt werden sie abgeführt, Smith und Schaffer als Offiziere dürfen im PKW mitfahren. Natürlich können die beiden sich in kürzester Zeit wieder befreien. Eine nette, aber unerlaubte Fahrt mit dem Sessellift befördert die beiden auf den eigentlichen Sitz der Festung, wo auch der Gefangene vermutet wird. Gut, dass seine Geliebte und ihre Kumpanin viel Munition eingesteckt haben. Viele Soldaten sterben (deutsche). Entweder durch Pistole mit Schalldämpfer, oder mit Bomben, die Brücken hochjagen oder ganze Munitionslager in die Luft jagen.

 

Der Höhepunkt des Films läuft jedoch fast ganz unblutig ab. Er ist die geniale Vorführung des Agenten als perfekten Rollenwechslers und genauen Kenners dessen, was in bestimmten Momenten, d.h. hier: in einer Situation höchster Unbestimmtheit, anderen, und zwar Freunden und Feinden, zuzumuten ist. Smith und Schaffer überraschen die Deutschen, die gerade dabei sind, eine höhere Gangart bei dem bislang ganz und gar höflich durchgeführten Verhör als militärisch durchwirkter Konversation mit dem amerikanischen General einzulegen. Was die beiden selbst überrascht ist die Tatsache, dass ihre drei mit ihnen gefangen genommenen Kollegen ebenfalls mit am Verhandlungstisch sitzen. Doppelagenten? In einem meisterlichen Schachzug gelingt es Smith nach mehreren Volten, eine angenommene Identität zu beweisen (die natürlich falsch ist), indem er seine drei falschen Kompagnons dazu zwingt, eine kleine Liste von Namen aufzuschreiben, die dann mit seiner verglichen werden soll. Was bloßes Mittel scheint, entpuppt sich als der eigentliche Zweck der ganzen Unternehmung, denn wie sich herausstellt, ist der amerikanische General zwar Amerikaner, aber kein General, sondern ein diesem sehr ähnlich sehender Schauspieler. Schauspieler spielen also Schauspieler, die schlaue Agenten sind, und diejenigen, die nicht so gut spielen können, sind früher tot als die anderen, die dann noch weiterspielen können. Aber Smith könnte noch so gut spielen und noch so präsent sein, ohne die Rahmenbedingungen z.B. in Form nahezu unerschöpflicher Munition und zeitgenauer Kopräsenz seiner Mitkombattanten hätte er keine Chance. Solche Agenten gibt es selbstredend nur im Film. Und wenn es sie in der Wirklichkeit gäbe, wüsste man nichts von ihnen. Das Spannendste kriegt man nie mit. Dafür ist das schöne Nachstellen da.

 

Wer auf eine fremde und feindliche Burg gestiegen ist, muss irgendwann auch wieder runter, zumal wenn dort plötzlich Alarm ausgelöst wird. Die Berggondel kommt ein zweites Mal zum Einsatz, hier zeigt sich ganz und gar unmetaphorisch, wie luftig die ganze Angelegenheit war und ist. Außerdem lassen sich auch in den Alpen spannende Verfolgungsjagden inszenieren. Ein zweiter Höhepunkt, der Showdown im Rettungsflugzeug, ganz am Ende, wenn Agenten sich gegenseitig enttarnen und der Zuschauer mit Genugtuung erfährt, dass auch dieser wackelige Berufsstand nicht nur über ein Berufsethos verfügt, sondern dieses auch konsequent umzusetzen bereit ist. Was aber eigentlich zu zeigen war: Mit der vorgeblichen Agentennummer eins, die aus dem Flugzeug sprang, hätte man keinen Helden-Film dieser Art drehen können. Erst jetzt, wo der Film vorbei ist, sind die Dinge an ihrem richtigen Platz.

 

Dieter Wenk (07.05)

 

Brian G. Hutton, Agenten sterben einsam, GB 1968