9. Juni 2005

Very french

 

Achsenfilm. Die Achse ist ein Kapitalist, verheiratet, die Frau verheiratet mit einem Hund. Der Leibwächter, der Chauffeur der Gattin. Wo lernt man Leute kennen? Im Theater, in der Kneipe. Im Theater lernt also der Kapi seine Bérénice kennen. Die Dienerschaft weicht naturgemäß auf die Kneipe aus. Frauen sind es allemal. Die Kunstkünstlerin, die Lebenskünstlerin. Wirtschaftsleben trifft auf Geschmack. Naivität auf Abgebrühtheit. Bleibt der Leibwächter. Doch nicht lange. Naivität wird schnell aus dem aktiven Geschehen zurückgezogen und besetzt die Fernbeziehung, die ebenfalls scheitert. Weichei halt. Der Schützer ist ein cooler Typ, auch ohne Knarre. Ein Mann. Das merkt auch die Tresenschlampe, die sich sofort verliebt. Derweil lernt der reiche Mann das Lernen. Die Methode, auch wenn nicht witzig, ist vielleicht doch nicht so schlecht.

 

Witzig allerdings immer wieder, wie die Franzosen englisch sprechen, und zwar die guten und die schlechten, die das tieitsch können und die, die es nicht können. Auch wenn Leute von etwas nicht die Bohne verstehen, können sie trotzdem charmant sein, auch wenn sie erst mal übelst verarscht werden. Aber der reiche Mann bleibt dran. Sagt seine Wahrheiten. Die lange brauchen, bis sie so ankommen, dass es möglich ist, sie entsprechend zu erwidern. Ein erfreuliches Ende auf der Chefetage, darunter ist man skeptischer, unterhalb der Kunstwanne, also bleibt man kurz vor der Haustür stehen, drücken oder nicht drücken, er drückt nicht, sie steht hinter dem Vorhang, kurze Irritation, das wird vorübergehen. Klarer Verlierer des Films: die Ehefrau. Eine kleine Lehre: du sollst Tiere nicht so lieben wie Menschen. Weder Tiere noch geschmacklose Tapeten oder unironisch gebrauchtes Interieur. Irgendwann rächt sich das. Wenn jemand aufmacht. Frische Luft. Das kapiert am Ende sogar die Gattin. So there’s hope. Noch jemanden vergessen? Ach ja, das Schwulenpärchen. Sehr dezent. Ein wenig zu dezent. Das hätte man nicht gemerkt, wenn der Freund der Schauspielerin das nicht gesagt hätte. Der Partner dieses Freundes? Natürlich (?) ein Künstler, der Maler, für den Kapitalisten. Jeder braucht jeden. Aber ein echter Schwuler hätte wohl ein bisschen mehr Action sehen wollen.

 

Aber bei den Heten ging es ja auch nicht viel anders zu. Zwei Bettszenen mit unserem Beschützer und der Bedienung. Aber man redet nur. Schließlich ist Sex genau das danach. Sex ist immer nur das, was danach kommt. Während alle wollen, dass es schon vorher da ist. Oder wenigstens gleichzeitig. Aber das ist nicht mehr das Problem des Films. Braucht’s auch nicht. Achsenwechsel. Perlenkette. Weihnachtskalender. Logik. Auf französisch. Also auch ein wenig theatermäßig. Racine quand même, l’Alexandrin, mehr davon. Mal wieder ins Theater?

 

Dieter Wenk (12.00)

 

Agnès Jaoui, Lust auf anderes, Frankreich 1999 (Le goût des autres)