3. Juni 2005

Bundesrepublik Kühlschrank

 

Es sollte einen in Unruhe versetzen, wenn Polizisten eine lockerere Einstellung pflegen als die Leute, die sie angeblich zu schützen vorgeben. Der Bürger in Uniform mit langen Haaren, wer wird da schon die Musik leiser stellen, wenn es an der Tür klingelt und so ein Wuschelkopf die Ansprüche des Nachbarn vertritt. Aber vermutlich ist es eher umgekehrt und die Sitten sind schon so den Bach runter, dass die Polizei sich nur noch vor sich selbst schützen muss. Niemand mehr da, der älteren Frauen verbietet, allein in eine Kneipe zu gehen, und sei es auch nur für „ein“ Cola. Das macht eigentlich keinem Spaß, der älteren Frau am allerwenigsten. Aber was will man machen, wenn auch die Frau Wirtin nur halbherzig reagiert und die lustige Truppe am Tresen gefriergetrocknet am eigenen Protest erstickt. Wer den Anfängen nicht wehrt, muss sich nicht wundern, dass dann plötzlich ein Ausländer mit der alten Frau tanzt. Die Erbsünde als lancierter Spaß fällt in jedem Fall auf einen zurück, und einer ist alle. „Gleiche wie Butter“. Aber wo das Wort gebricht, ist auch die Beziehung im Arsch. Davon können die Kleinsthändler ein Lied singen, wenn sie merken, dass es anfängt, dass sie kein Wort mehr mitzureden haben. Verständlich, dass der Ärger sich beim schwächsten Glied („Schwanz kaputt“) auslässt. Hat er da nun eine Krankheit oder kann er einfach nicht mehr? Auf jeden Fall ist Ali ein sehr schöner Mann. Das weiß auch Emmy, und sie weiß, dass es die anderen wissen. Trotzdem ist die eigene Wohnung keine Zirkusarena und der eigene Mann kein Quietscheentchen mit Muskelansatz. Aber Ali wirkt immer so gelassen. Oder geht ihn dass alles nichts an? Frisst er alles in sich rein? Soll ja ungesund sein. Kennt man in Marokko auch nicht. Große Familie, immer was los. Keine Friedhofsruhe wie Sonntags in deutschen Städten. Oder nach der Arbeit, wenn Millionen Abendländler allein in ihrem Stübchen schmoren. Aber man hat ja seinen Stolz und anderen geht es noch dreckiger, glaubt man. Mit Solidarität ist also nicht, „beim Hungern und beim Essen“. Mit der eigenen Family schon gar nicht. Und sind die eigenen Kinder nicht zum Gehorsam verpflichtet? Stattdessen treten sie einem den Fernseher ein. Also erst mal alles vergessen und mit dem frisch gebackenen Gatten in den Urlaub fahren. Schade, dass man nicht sieht, was da abgeht. Auf jeden Fall haben sich derweilen die Machtverhältnisse geklärt und die Frau hat mal wieder die Pantoffeln an. Mühsame Reintegration des Weibchens. Aber man muss auch Zugeständnisse machen können. Kräftig ist der Afrikaner ja, da kann er schon mal ein paar Möbel schleppen, und wenn dadurch auch der Hausfrieden reinstalliert ist, um so besser. Der Mann schleicht sich dann aber doch. Nix kiff-kiff, wenn nix Kusskuss. Der Mann wandert zum nächsten Trost. Bei der, die auch getröstet werden muss. Die totale Trostgesellschaft. Das ist sehr traurig. Schließlich fängt der Film noch einmal bei seinem Anfang an. Aber hier nicht „gleiche wie Butter, nix Limonade“, sondern wieder „ein“ Cola, aber viel schlimmer. Ein erster Zusammenbruch, der ausländische Arbeitnehmer, so ein Arzt, ist nicht so belastbar wie sein deutscher Kollega. Wir empfehlen den Gastarbeiter auf Abruf. Das ist dann fast wie Urlaub. Fast.

 

Dieter Wenk (05.05)

 

Rainer Werner Fassbinder, Angst essen Seele auf, Deutschland 1973 (Brigitte Mira, El Hedi ben Salem, Hark Bohm, Marquard Bohm, Rainer Werner Fassbinder, Irm Hermann, Walter Sedlmayr u.v.a.)