5. Mai 2005

Ausstellung unterm Tisch, Maria Mario Blum bei U.N.I.

Bregenz, Seebühne
Zwei Zarius Bilder
Supermario
Weltmodell, Thales von Milet
Zarius Bild

 

Oskar Maria Graf schreibt in seinem autobiografischen Roman „Wir sind Gefangene“ von der Erfindung der glücklichen Maria mitten in seinem Namen. Er brauchte ein Pseudonym. Er begann sich Oskar Graf Berg zu nennen, zum Glück riet ihm ein musikalischer Freund zu Oskar Maria.

 

Bei U.N.I. stellen alle Künstler unter Pseudonym aus. Alle Ausstellungen des Projekts U.N.I. finden an, auf oder um einen Tisch herum statt. Es sind Modelle im Maßstab 1:20. Der ausziehbare Esstisch müsste, bei einer 1:1 Realisierung des Modells von Maria Mario Blum, mit 20-facher Vergrößerung mitgebaut werden, denn der Tisch selbst ist diesmal das Bühnengehäuse für die Kunst. Das Ganze sähe dann ungefähr so aus wie die Seebühne der Bregenzer Festspiele anlässlich der Aufführung von La Bohème. Bohème ist ja immer gut bei Kunst.

 

Aber so weit sind wir gottlob noch nicht und deshalb langsam, erstmal sind Peanuts auf der Einladungskarte abgebildet. Klein, blond, überflüssig, aber lecker. Man spielt damit rum, knippelt die Hälfte auf, und hast du nicht gesehen, fällt einem noch was ein.

 

Sebastian Zarius klappt Karten mit schematisierten Erdnussmotiven, vielleicht sind es aber auch Augenbinden oder Sonnenbrillen, stellt sie zu kleinen Stellwänden zusammen, veräppelt damit gleich den üblichen Ausstellungsarchitekturkrampf. Und wunderbar, am Ende ist der ganze Unterbau des Tischs mit farbigen Fotoschnipseln ausgeschmückt. Es sieht wirklich aus wie ein Bühnenbild. Zerknickte Schaschlikspieße werden zur Hühnerleiter, sie reicht in den Schnürboden hinauf, unter das Bühnendach von Tischplatte. Ein roter Tapestreifen am Boden weist die ideale Blickrichtung. Es ist der rote Faden, der von starken Mächten hinter den Kulissen geführt wird, wie in „Illuminatus“ eindringlich beschrieben, und wie alle wissen, die lieber kiffen als stricken und sogleich ihren bewusstseinserweiterten Unsinn verbreiten.

 

Aus dem Buch „Illuminatus“ wählt Zarius für die Dokumentationsmappe der Ausstellung eine Passage, in der sich über die wahre Gestalt der Erde ausgelassen wird – sie kann nur rübenförmig sein. Und auf der Tischplatte liegt dann nicht das Nahrungsmittel der Europäer, Steckrüben, Runkelrüben, Roterüben, sondern ein mehrere Kilo schwerer Klotz Ugali in Frischhaltefolie – ostafrikanisches Grundnahrungsmittel aus Maismehl. Deus ex machina. Was für eine Vorstellung! Die Bühne verwandelte sich, durch einen durch die Decke brechenden Meteoriten aus Maismehl, in eine Apotheose des vom Griesbrei erschlagenen Schlaraffenlandes.

 

An der Wand des Ausstellungsraums lehnt ein Ring aus Schaschlikspießen, und das soll kein Hulahoop-Reifen sein, sondern etwas anderes. Ich tippe auf das Weltbild Thales´ von Milet, also Teller- oder Rübenform, oder Rübeneintopf auf Suppenteller, Schlaraffenland, was auch immer. Von der Zimmerdecke baumelt noch ein ganzes Bündel solcher Schaschlikstangen, lang genug, um noch weitere Weltmodelle zu formen, oder es ist bereits das stangenförmige Weltbild.

 

Zurück ins Tischtheater. Mit den Brettern, die die Welt bedeuten. Jump ´n` run-Spiele sind Sache von Nintendo, und Supermario ist dort der Held. Das animierte und ewig gut aufgelegte Männlein wäre ein idealer Bewohner dieser kleinen Farbkulisse aus zur Unkenntlichkeit vergrößerten Plastiktütenfarbschnipseln. Aber Supermario ist Klempner und erscheint nicht auf dieser Bühne, sondern arbeitet hinter den Kulissen. Künstler haben immer mit den höheren Mächten, mit den roten Fäden, zu tun. Sie bauen an den Bühnen der Machtentfaltung, an den unmöglichsten Plätzen am Ufer des Bodensees zum Beispiel, oder unter dem Tisch. Sie schrauben am Weltbild und legen Abflussrohre für angestaute bürgerliche Verärgerung. Sie sind die Schlaraffenland-Leute und wissen, dass es da nicht viel witziger ist als anderswo – jedenfalls nicht als Klempner.

 

Um das alles auf einmal zum Ausdruck zu bringen, ohne sich zu verletzen, ist Zarius diesmal Mario, und Maria gibt ihren Segen für eine gelungene Ausstellung unter einem Tisch.

 

Nora Sdun

 

Galerie: Lab of Graviton, Alter Wall 67, Hamburg, Ausstellung bis 25.5. 2005, nach Vereinbarung 040/44809483 www.U-N-I.de