29. April 2005

Mississippi versus Hollywood

 

Braucht man wie an diesem Abend von Harlem nach Brooklyn mehr als eine Stunde und sieht sich schon beim Verlassen der Subway Station einer Menschenmenge gegenüber, die, vom grellen Licht der Fotoapparate und Kameras flankiert, in zwei Reihen auf den kleinen Eingang eines verfallenen Gebäudes zudrängt, dann muss das ganz fraglos der Auftakt zu einer jener Veranstaltungen sein, die man beim morgendlichen Durchblättern all der New Yorker Zeitungen und Magazine inständig zu entdecken hofft.

Indiana Jones: The Adaptation – gute eineinhalb Stunden lang zeigt das Brooklyn Underground Film Festival ein detailgetreues Remake des ersten der drei legendären Filme, in denen Harrison Ford alias Indiana Jones auf Schatzsuche geht, um quasi im Alleingang die zivilisierte Welt vor dem Untergang zu retten. Und von Anfang an ist man trotz miserabler Tonqualität von der mal verwackelten, mal präzisen Imitation des Hollywood-Streifens Raiders of the lost Ark von 1981 begeistert. Nicht nur setzt The Adaptation eine Art inneres Kino in Gang, dessen Bildmaterial der Erinnerung entspringt und das parallel zum Film auf der Leinwand abläuft. Unwillkürlich blendet man die offensichtlichen Abweichungen zum erinnerten Original aus und verliert sich wie von selbst in der Story. Zum eigenen Schrecken nimmt man von diesem kleinen kinematografischen Skandal Notiz und beeilt sich sogleich, die zerrütteten Verhältnisse zwischen der Szene für Szene getreuen Nachbildung und ihrem berühmten Vorgänger wieder herzustellen. Zugleich bietet ein solches Remake eine Vielzahl kurioser Details, die den begrenzten Mitteln einer Low-Budget-Produktion und damit dem Einfallsreichtum der Mitwirkenden geschuldet sind. So überzeugt beispielsweise ein Hund als Affe, wird die Baugrube am Ortsausgang zur Wüste und die amerikanische Kleinstadt zum orientalischen Markt.

Außergewöhnlich ist der Film vor allem aufgrund seiner Entstehungsgeschichte. Drei elfjährige Jungs aus dem US-Bundesstaat Mississippi fanden sich 1982 zusammen, um die passgenaue Nachahmung ihres Lieblingsfilms anzugehen. Was bestenfalls als Projekt für einen Sommer gedacht war, brauchte schließlich weitere sieben Jahre bis zur Fertigstellung. Vor gut 200 Zuschauern hatte The Adaptation dann 1989 seine Premiere. Die gesamte Jugendzeit über war das Trio folglich mit den Planungen und Dreharbeiten zu diesem kuriosen Streifen Filmgeschichte beschäftigt – der Figur Indiana Jones selbst ist diese Zeitspanne durchaus anzusehen.

Davon und von anderen interessanten, manchmal auch schlicht amüsanten Details wissen Chris Strompolos, der als Hauptdarsteller in The Adaptation agierte, und Eric Zala, der als Regisseur und Indies Gegenspieler Belloq maßgeblich am Film beteiligt war, beim anschließenden Gespräch mit dem Publikum zu erzählen. Nur Jayson Lamb, damaliger Kameramann und zuständig für Special Effects, ist an diesem Abend nicht zugegen. Um das mediale Aufsehen zu verstehen, sollte man zudem wissen, dass The Adaptation auf dem diesjährigen Brooklyn Underground Film Festival tatsächlich seine Premiere in New York hat, knapp 15 Jahre nach der Vorführung im Heimatort. Das Trio aus Mississippi hatte 1989 das Projekt mit der damaligen Premiere endlich für abgeschlossen betrachtet und sich dann mehr oder weniger aus den Augen verloren. Über Umwege war eine Kopie des Films in die findigen Hände des Filmemachers Eli Roth gelangt, der sie an Steven Spielberg weiterreichte. Dieser, begeistert vom Remake seines Kinofilms, kontaktierte die drei mittlerweile verheirateten Männer, und so kam es, kurz gesagt, zur Reunion – Stoff genug also für die Hollywood-Maschine, die in Gestalt von Paramount Pictures voraussichtlich 2006 den entsprechenden Film über die Jugendgeschichte des Trios in die Kinos bringen wird.

 

Sönke Hallmann