25. März 2005

„Was gesagt wird, spottet jeder Beschreibung“

 

Carsten Klook: „Halbe Portion Jubel“, Hörstücke/Prosaminis (Aufgenommen: 1988–97)

 

Da streift ein Rüsseltier über den Sand. Auf dem Cover der CD gibt’s ein Bild vom Meeresstrand, besucht von einem, der selten rauskommt, weil er sowieso schon weiß, dass das wieder nichts wird mit den Empfindungen an der frischen Luft.

 

Dass ich die CD acht Jahre nach ihrer Herausgabe bespreche, heißt nur, dass es schon so lange CDs gibt, Musik gibt’s schließlich noch viel länger. Zur historischen Einordnung nur so viel, wer Ansprüche erhebt auf vollständige Sammlungen „Akustischer Perücken“, besonders Hamburger Schule, „Blumfeld“ und ähnliche Preziosen, und diese CD nicht besitzt, hat keine vollständige Sammlung.

 

Carsten Klook schreibt auch Romane, und es gibt eine Passage, in der zwei junge Menschen an der Nordsee frisch ineinanderstoßen, bis einer abbricht und keine Lust mehr hat. Sowieso misstrauisch, was das denn überhaupt soll, aber noch viel mehr absichtlich ätzend verletzend, viril ermächtigt und völlig entgeistert von der eigenen Bosheit. Oh ja, das kommt vor. Einer verwandelt sich in ein Rüsseltier und nimmt dann eine CD auf. Die CD „Halbe Portion Jubel“ ist eine Sammlung von Prosaminiaturen und Sex-Gedichten. 20 Stücke zwischen Geräusch und Selbstgespräch.

 

Also, lieber mit dem Rüssel in anderer Leute Ohren trompeten, als sich ständig deren dufte Gemäre anhören über ihre guten Riecher. Außer dass es darauf trombt und pfeift, mieft’s aber auch raus aus dem Rüssel, weil sich Begriffe, nicht ohne in Gärung überzugehen, unterdrücken lassen. So riechen Worte bald nach einer anderen Bedeutung. Man kann nur stutzen, wie sich Worte aneinander infizieren. Carsten Klook pocht auf der CD hörbar auf das „Recht auf Meinungslosigkeit“, weiß aber andererseits ziemlich gut, was er nicht lassen kann, das „Dollmatschen“ in „Begriffsklärschlamm“. Man kann bei dieser Gemengelage trefflich streiten, ob Sprache immer geht, also gar nicht zu gebrauchen ist, oder ob sie doch eine zuverlässige Nutzlast an Bedeutung hat.

 

Dies ist also eine böse CD. Trotzdem meist grotesk zart. Bitter, auch komisch. Da wird nichts erklärt, das ist nicht zum Spaß, auch nicht zum Spielen. Da wird auch nicht eigentlich gesungen, mehr besprochen, so wie Warzen. Man hört hin, und etwas tönt zurück. Es ist organisch, körperlich, manchmal unangenehm drängend. Das ist aber keine Interpretation, die einem aufgedrängt wird, da musikübliche Gefühlserpressungen, wie Tschingerassa, virtuoses Spiel und großer Abspann, fehlen. Es ist eine Anfechtung, die man als Hörer zu verantworten hat, mit dem eigenen Gedächtnis. Da werden keine neuen Lebensgefühle gezeigt, auch nicht gezeugt, niemand wird belehrt oder korrigiert. Hier gibt’s auch nichts zu gewinnen.

 

Es ist etwa das, was man selbst sich angewöhnt hat, „sorgsamst innezuhalten“, stumm auszusitzen, den „Geigenrabbatz“ im Kopf, entstanden durch das „facettenreiche Gesabbel der Realität“. Keiner soll bitte glauben, aus irgendeiner Not eine gangbare Tugend machen zu können. Kein Mitleid, keine Konzessionen, wir haben hier Akustik, aber kein Asthma, trotz Buchstabenstaubexplosion keinen Auswurf. Das sind keine Dinge, mit denen man schlägt oder spielt, das sind überhaupt keine Gegenstände, obwohl sie zugegebenermaßen ziemlich sperrig werden können. Wer zu lange über „eine getöpferte Armbanduhr“ nachdenkt, hat nämlich bald kein Zeitempfinden mehr.

 

Und haut ab mit dem Schopenhauer und den drei Welten. Eine als Wille, eine andere als Vorstellung und eine dritte als Musik, und letztere spiegelte dann ganz toll die ersten beiden – Wille als Bass und Melodie als Vorstellung. Das ist doch bloß Instinktarmut. Die Behauptung einer Welt in reinster Klarheit mit asketischem Ausweg ist „lebloses Glück aus Flausen“.

 

Nora Sdun

 

Die CD kostet 12 Euro und ist zu bestellen über carsten(at)textem.de