20. März 2005

Fettiger Besuch

 

Nein. Sie sind nicht mein Freund, und ich habe kein Interesse an Ihnen.“ Es kommt anders. Der Baseler Professor aus Karl-Heinz Otts Roman „Endlich Stille“ bekommt unfreiwillig Besuch. Ein redseliger Mensch mit Mundgeruch, der vorgibt Pianist zu sein, auf jeden Fall aber fettige Haare hat, fläzt sich schon morgens in Unterwäsche, die haarigen Beine von sich gestreckt, in seiner Küche. Vielleicht hätte der Philosoph den Managerratgeber mit dem schönen Titel „Sechzehn Wege, das Nein zu vermeiden“, doch lesen sollen, um seine Interessen zu wahren. Denn diese Zufallsbekanntschaft bringt seine Ordnung zu Fall.

Der anstrengende Zeitgenosse, der ihm während einer Reise einen äußerst unangenehmen Abend bescherte, steht plötzlich vor seiner Wohnungstür und nistet sich auf unbestimmte Zeit ein. Da hilft weder das Verleugnen am Telefon noch das Abmontieren der Namensschilder auf Briefkasten und Klingel.

Der Spinoza-Spezialist verbringt von nun ab seine vorlesungsfreie Zeit tagsüber verkatert in seiner zusehends verkommenden Wohnung, abends in windigen Kaschemmen. Und Friedrich, seine Plage, redet und redet, von Flugzeugtypen, Inka-Kultur, Brunstzyklen von Bären. Ganz unschuldig ist der Herr Professor an dieser Situation allerdings nicht. Denn wie ihm seine Ex-Freundin zu Recht vorwirft, hat er nie gelernt, „Nein“ zu sagen.

Es ist ein großer Spaß beim Lesen. Karl-Heinz Ott lässt dem Leser die Haare zu Berge stehen. Der Autor schildert ein Wesen, das keine instinktive Distanz kennt, einen Besatzer. Spinozas Freiheitsbegriff hilft dem Gastgeber dabei überhaupt nichts. Erst eine gänzlich unmoralische Tat stellt sein verqueres Seelenheil wieder her.

 

Karl-Heinz Ott: Endlich Stille, Roman, Hoffmann und Campe 2005, 207 Seiten, 17,95 €

 

Gustav Mechlenburg

 

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