15. März 2005

Döner statt Maultaschen

 

Man stelle sich vor, Kommissar Bienzle müsste seinen Schreibtisch in Stuttgart räumen, weil er nach Berlin versetzt wird. Statt Dramen in schwäbischen Dörfern aufzuklären, hätte er es plötzlich mit der gewalttätigen Vietnamesen-, Russen- oder sonstigen Mafia zu tun. Und statt Maultaschen gäbe es als Vesper nur Döner. Nein, Bienzle in Berlin würde nicht funktionieren.

 

Das ist auch Felix Huby klar. Und schickt daher in seinem neuen Thriller nicht Bienzle, sondern dessen kriminalistischen Ziehsohn Peter Heiland in die Hauptstadt. Dass die Geschichte vom Polizisten aus der Provinz in der gefährlichen Großstadt zu Beginn nicht so richtig in Schwung kommt, liegt vor allem daran, dass Huby zu viele Klischees auf einmal bemüht: Gleich zu Beginn bekommt Heiland in der U-Bahn Ärger mit rechtsradikalen Hooligans, die Fahrradketten (!) schwingen, und muss dann einen Serienmörder jagen, der seine Opfer ausgerechnet als Heckenschütze erlegt. Bei diesen Gelegenheiten macht Heiland nähere Bekanntschaft mit einem Schwarzen, der in Neukölln geboren ist, natürlich jongliert, multikulti-mäßig gut drauf ist und Heiland fortan bei jeder, und zwar wirklich jeder Gelegenheit über den Weg läuft.

 

Zum Glück legt Huby die Schablone, die er sich für Berlin zurecht geschnitzt hat, schnell bei Seite. Die Ermittlungen führen den heimwehkranken Heiland in die alte Heimat. Und im Schwabenland wird der Thriller richtig gut. Die Figuren sind liebevoller gezeichnet und entsprechend glaubwürdiger als die Hauptstädter. Die Menschen tragen Nachnamen wie Ruckaberle, servieren Ochsenmaulsalat und sprechen Dialekt: „Jetzt bischt nach Berlin gezogen. Warum net glei da’nauf auf den Mond?“, muss sich Heiland fragen lassen – und fragt sich das konfrontiert mit der geballten schwäbischen Lebensart wohl auch selbst. Zumindest Nicht-Schwaben klingt das alles sehr authentisch und irgendwie auch anheimelnd im Ohr. Bienzle hat einen Gastauftritt, und gegen Ende fügen sich die losen Erzählstränge aufs Schönste zu einem geordneten Netz.

 

Ungeklärt bleibt Heilands neues Berliner Beziehungsleben – wie es sich für einen Kommissar gehört. Außerdem bietet das Anknüpfungspunkte für eine Peter-Heiland-Serie: Gut, dass Huby den zweiten Fall schon fertig hat. Und vielleicht ist Heiland demnächst auch im „Tatort“ zu sehen. Verdient hätte er es. Nur in Berlin muss sich Huby noch besser zurecht finden.

 

Hendrik Roggenkamp

 

Felix Huby: Der Heckenschütze, Peter Heilands erster Fall, Scherz Verlag 2005

 

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