7. März 2005

Romanfigur in Gefahr

 

Als der von Charlotte Brontë verfasste Roman „Jane Eyre“ 1847 unter einem Pseudonym publiziert wurde, hätte sich die Autorin vermutlich nicht vorstellen mögen, welchen Gefahren ihre Titelheldin gut 150 Jahre später ausgesetzt sein würde. In der von Jasper Fforde erschaffenen Welt ist Literatur so wichtig, dass eine Spezialeinheit aufgestellt wird, die sie vor Fälschern und dergleichen schützen soll. Trotzdem gelingt es Acheron Hades, dem drittgefährlichsten Verbrecher der Welt, Jane Eyre aus ihrem heimatlichen Roman zu entführen, um Lösegeld zu erpressen.

 

Für die Lösung dieses Falls ist unter anderem die Literaturagentin Thursday Next zuständig, die Hades noch aus seinen nicht-kriminellen Tagen an der Universität kennt. Bevor Next den Fall jedoch zu einem glücklichen Ende führen kann, muss sie sich noch mit allerlei Widrigkeiten herumschlagen, angefangen von familiären Konfrontationen in ihrer Heimatstadt, in die sie zurückkehrt, über unliebsame Begegnungen mit einem Vertreter des Sicherheitsdienstes des Goliath-Konzerns, dessen Macht scheinbar grenzenlos ist, bis hin zu amourösen Verwicklungen, die natürlich auch nicht fehlen dürfen.

 

All dies geschieht vor dem Hintergrund des immer noch andauernden Krimkrieges, der England schon genug Sorgen bereitet. Die Entführung einer der beliebtesten Romanfiguren kommt da gänzlich ungelegen, zumal dies zu großer Beunruhigung in der Bevölkerung führt.

 

Wie gesagt, Literatur ist ungemein wichtig, ein jeder kennt die Klassiker der englischen Literatur und kann Shakespeares gesammelte Werke so gut wie auswendig. Welch herrliche Zustände herrschen dort, mag der deutsche Bildungsbürger angesichts einer immer mehr um sich greifenden Verdummung seiner eigenen Gesellschaft jetzt denken.

 

Allerdings gebaren sich die Literaturfreunde in Ffordes Roman nicht sonderlich friedlich. Da kann es schon einmal sein, dass eine Nebenfigur aus einem Roman von Dickens das Zeitliche segnet und fortan einfach nicht mehr im Text auftaucht. Auch die Kunstliebhaber sind nicht gerade nett zueinander, da ist von gewalttätigen Surrealistenaufständen und kampferprobten Raffaeliten die Rede, die ihre jeweils bevorzugte Richtung wenn nötig auch mit Gewalt verteidigen. Vielleicht also doch kein so wünschenswerter gesellschaftlicher Zustand.

 

Unterhaltsam ist der Roman jedoch allemal, da sowohl Liebhaber absurder Literatur als auch Anhänger klassischer englischer Schriftsteller hier auf ihre Kosten kommen. Und bei der nächsten Lektüre von „Jane Eyre“ weiß man dann, wie es zu dem allseits bekannten Ende gekommen ist. Charlotte Brontë hatte nämlich eigentlich etwas ganz anderes im Sinn, schließlich braucht ein großer Roman nicht unbedingt ein Happyend.

 

Katrin Zabel

 

Jasper Fforde: Der Fall Jane Eyre. Aus dem Englischen von Lorenz Stern, Roman. Dtv premium. 376 Seiten

 

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