13. Januar 2005

Monopol: Kunst, Geld und Leben

 

„Und das Geld?“, fragte ich ihn. „Hast du nicht vierhundertfünfzig Francs?“ – „Ja, aber ich habe Schulden bei meinem Schneider und bei meiner Zimmerwirtin.“ – „Du bezahlst deinen Schneider? Aus dir wird niemals etwas werden, nicht einmal Minister.“

 

So geht es zu im 19. Jahrhundert. Das „Chagrinleder“, dem gibt sich ein junger Mann anheim, seine Wünsche gehen kraft des Leders in Erfüllung, und dieses wird dabei immer kleiner, bis es zergangen seinen „Kunden“ in den Tod stürzt. Diesen Roman schreibt Balzac 1831. Darin greift er die Theorie des vergleichenden Anatoms Cuvier auf. Dessen Prinzipien erlauben die Rekonstruktion vergangener Arten. (Außerdem hat Cuvier eine Katastrophenlehre verfasst.) Diese Rekonstruktion ist auch immer auf Kunst übertragen worden und erlaubt ein schwunghaftes Assoziieren und Einverleiben von allem. Und wenn man von Kunst und Leben spricht, sind Geld, Katastrophen und Schneider nicht weit, vor allem Geld. Und wenn man „Monopol“ liest, ist es genauso weit in die Salons des 19. Jahrhunderts wie auf den Balkon einer säuerlichen Rentenkassenempörung. (Valentino - Schneider, Steve Wynn - Geld, W. T. Vollmann - Katastrophen)

 

In acht Beiträgen geht es um Geld. In den verbleibenden acht um Menschen, die etwas das erste Mal gemacht haben, sozusagen Schöpfer neuer Arten (Cuvier), und die deshalb sehr teuer sind, was aber nicht extra gesagt wird, weil näschenkraus und „ich bitte dich“, das doch klar ist.

 

„How to spend it“ heißt die Hochglanzbeilage der Financial Times Deutschland, und dort wird nicht aus der Rolle der Besitzenden gefallen, sondern wacker in die Zukunft geschaut und das Geld hinter sich gelassen. „Monopol“, und das gehört zu dem rührenden Eindruck, den das Magazin hinterlässt, hat wohl noch keine Hochleistungs-Dampfbügeleisen-Redaktion, die die Einschätzungen der Autoren im Sinne des Gesamteindrucks glättet. Das Ergebnis ist dann eben betont lässig und verdruckst empört. Schwankend, sowohl die Idiotien des Marktes auflistend wie ihre Mechanismen als Rekonstruktion vergangener, aber beständiger Arten (Cuvier) hinnehmend, also von Artikel zu Artikel variierend.

 

Ein bisschen wie die Helden der Romane von Balzac, die einen langen Anlauf brauchen, um sich zu den vollendeten Schwachsinns-Dekadenz-Figuren zu läutern, woraufhin sie auch bald sterben, an erfüllten Wünschen oder an Langeweile, meist an beidem.

 

Der Vorschlag lautet nun folgendermaßen: „Monopol“ bringt eine Sondernummer, in der alle Geldfragen, die die Autoren nervös und aufgeregt machen, benannt werden. Damit wäre dieser herumgeisternde Münzenbold gebannt, man kann in großer Not ja auf die Geld-Ausgabe verweisen.

 

Nun wird das „Chagrinleder“ zum drauf sitzen benutzt und nicht zum Wünschen. Man kann so ein neues Magazin ja ohne weiteres als veritables Wunschleder zwischen den anderen Riemen, man denke nur an die ganzen vergangenen Arten, wahrnehmen. Aber wie gesagt, das ist gefährlich wegen Langeweile und Verzweiflung.

 

Also da gibt es doch viele Dinge, die man von so einem Sitz aus berichten kann. Die Mitarbeiter schwärmen ja auch schon aus, nach Goslar und Hamburg. Und Künstler sind keine Stars, nie, sondern bestenfalls Enthusiasten, und das Beste an ihnen sind die Werke. Und es gibt mehr Künstler als Kartoffeln, und Leben ist auch noch da. Und nicht verschlucken an den ganzen Informationen, die die Kulturbrust abgibt! Und das „Erste Mal“ ist nicht wichtig, höchstens pubertär. Man kann vor allem mal schreiben, was einem einfällt, und wenn einem nichts einfällt, ein Foto mehr abbilden, und man muss nicht länger aus Ratlosigkeit über die ganzen Lebenden und Künstler einen BWL-Ausgang nehmen, indem man die Ekstasen der Steuererklärung imaginiert.

 

Nora Sdun

 

Monopol, Magazin für Kunst und Leben, Nr. 4, Oktober/November 2004