4. November 2004

Haben Sie auch schon einen?

 

 

"I, Robot"

USA, 2004

Regie: Alex Proyas

Buch: Frei nach Isaac Asimovs Buchvorlage

 

 

Mit "I, Robot" hat Alex Proyas sein dritten großen Fictionfilm nach The Crow (1994) und Dark City (1998) vorgelegt. Dabei hat er einen Blockbuster-Movie kreiert, der allen Ansprüchen genügt: intelligentes und spannendes Drehbuch, stimmige Charaktere, glaubwürdige Schauspieler, eine hervorragende und klug ausgetüftelte Ausstattung und perfekt inszenierte Actionsequenzen!

 

I. Plot:

Del Spooner (gespielt vom genial besetzten Will Smith) ist Detective im Chicagoer Police Department des Jahres 2035. Eine Generation von intelligenten Robotern, NS4 genannt, dient den Menschen als moderne Haussklaven. Diese werden vom Technologiegiganten US Robotics hergestellt und sind mit drei Handlungs-Gesetzen ausgestattet: schädige keinen Menschen, gehorche allen Menschen, schütze dich selbst - eine scheinbar perfekte Logik. Doch Del Sponner besitzt ein tiefverwurzeltes Misstrauen gegenüber den "Blechbüchsen". Kurz vor der Auslieferung einer neueren Roboter-Generation, den NS5, ereignet sich bei US Robotics ein folgenschwerer Vorfall: der Chef-Konstrukteur und Vater des NS5-Programms Lanning wird tot aufgefunden. Für Spooner ist der Fall klar: es muss einer diesen neuen NS5-Roboter gewesen sein. Während seiner anfänglichen Ermittlungen macht Spooner im Forschungslabor Lannings Bekanntschaft mit einem NS5, dessen aggressives und bedrohliches Verhalten so gar nicht ins allgemeine Bild des wohlwollenden Roboter passt. Er stößt dort auch auf ein für einen Informatiker ungewöhnliches Buch: Hänsel und Gretel, das Grimmsche Märchen. Beim anschließenden Verhör stellt sich ihm der NS5 mit Namen Sonny vor und eröffnet ihm recht ungehalten, er habe zwar seltsame Dinge geträumt, aber Lanning nicht ermordet. Ein äußerst ungewöhnliches Verhalten für einen Roboter - Spooner ist verwirrt.

In der Folge bringen Spooners Ermittlungen ihn mit der Roboter Psychologin Calvin (Bridget Moynahan) und dem USR-Firmenboss Robertson (Bruce Greenwoord) zusammen. Die machen ihn nach und nach mit dem Forschungsprogramm der NS5 vertraut: demzufolge hätte Lanning die Produktion der NS5 an einen Supercomputer namens VIKI übergeben, der die Fähigkeit besitze, sich selbst und seine Resultate immer mehr zu perfektionieren. Beide USR-Verantwortlichen versichern ihm jedoch immer wieder, die neuen NS5-Roboter könnten infolge der ersten Gesetzes-Regel weder Menschen töten noch verletzen.

 

Doch bei der Augenscheinnahme einer Einheit neuer NS5-Roboter kommt es zu einem weiteren Zwischenfall, bei dem auch Calvin anwesend ist: Spooner ist davon überzeugt, dass die neuen Roboter es mit dem ersten Gesetz nicht so Ernst nehmen und ihre Selbsterhaltung über das Wohl ihrer menschlichen Herren stellen. Er bedroht die Roboter mit seiner Waffe und erschießt auch einige, woraufhin ihn ein NS5 angreift.

Spooner wird nach diesem Zwischenfall immer wieder von ganzen Einheiten NS5-Robots angegriffen. Während seine Vorgesetzten ihm weiterhin paranoides Verhalten unterstellen und ihn vom Dienst suspendieren, sind jetzt ist sind die Verantwortlichen von USR bereit, ihre neuen Robots genauer unter die Lupe zu nehmen. Bei einer Laboruntersuchung Sonnys findet Calvin heraus, dass dessen Programmierung seltsam-zufällig Abweichungen aufweist. Sie empfiehlt USR-Chef Robertson die Zerstörung Sonnys - aus Sicherheitsgründen. In einer emotional aufgeladenen Szene, in der Sonny immer wieder seinen "Tod" bedauert, soll die Zerstörung des NS5 durchgeführt werden. Da man bei Sonny an einen Einzelfall glaubt, geht mittlerweile die massenweise Auslieferung der neuen NS5 an die Bevölkerung unvermittelt weiter - ein folgenschwerer Fehler, wie sich herausstellen wird.

 

Denn die NS5 beginnen plötzlich die Herrschaftsverhältnisse umzudrehen, bemächtigen sich der Stromversorgung und verhängen eine generelle Ausgangssperre über ihre ehemaligen Menschen-Herren. Fieberhaft versucht Spooner der Lage Herr zu werden und schafft es mit Hilfe eines noch guten alten benzingetriebenen Motorrades, sich bis zum Firmengelände von USR durchzuschlagen. Dort wird er des gesamten Ausmaßes der Bedrohung gewahr: VIKI, der Supercomputer hat eigenmächtig bei der Herstellung der neuen NS5 beschlossen, die Gesetze außer Kraft zu setzen und die Menschen zu entmachten, weil diese ohnehin bald durch Kriege sich selbst und ihre Lebensgrundlagen zerstört hätten. Zudem trifft Spooner überraschenderweise auf den offenbar nicht zerstörten Sonny, der ihm alles andere als aggressiv begegnet und Spooner endlich seinen lang angekündigten Traum offenbart: ähnlich dem biblischen Befreiungsmythos vom Ausgang des Auserwählten Volkes durch Moses, entwirft Sonny ein Bild, das die Befreiung der Maschinen von ihrer Knechtschaft unter Führung einer charismatischen Persönlichkeit zum Gegenstand hat.

Doch davor gilt es, den Aufstand der NS5 niederzuschlagen und damit den Supercomputer VIKI erst einmal außer Gefecht zu setzen. Dies gelingt auch. Damit scheint der Film einem erwarteten Ende zugeführt worden zu sein. Doch nicht so bei I, Robot . Erstens wird in einem letzten Dialog zwischen Sonny und Spooner wird der Tod Lannings aufgeklärt; dabei wird ein Schlaglicht auf das Konstruktionsprinzip des gesamten Films geworfen. Und zweitens endet der Film mit der sinnfälligen Umsetzung von Sonnys Traum - dem Ideal der befreiten Maschine.

 

II. Inszenierung/Umsetzung:

I, Robot erschöpft sich nicht im simplen "Kill Bill...äh, ich meine .. the robots", sondern stellt bis zum Schluss intelligente Fragen, wenn er sie auch nicht restlos beantworten kann. "I, Robot" schafft es, sich weder im bloßen ironischen Zitieren von Filmtopoi noch in deren Wiederholung auf technisch noch perfekterem und aufwendigeren Niveau zu erschöpfen.

Die Rahmenhandlung wird durch einen Whodunnit Krimi umrissen und die Konflikte ergeben sich im Fortgang der Aufklärung des Falles durch die Identifikationsfigur Del Spooner. Eben durch die Identifikation werden zunächst bewusst Stereotypen bedient (=die anti-technizistischen Stereotypen Spooners), die jedoch nach und nach genauso entlarvt werden wie die Ideologie der Technokraten.

 

Die futuristische Ausstattung des Films wird nie selbstverliebt eingesetzt und in den Vordergrund gespielt, sondern ordnet sich stets dem dramaturgischen Gesamtkonzept unter.

 

III. Entlarvung von Ideologien

1.) Die Ideologie des Bösen

"I, Robot" bricht als einer der wenigen Blockbuster-Movies konsequent aus der emotionsleitenden Einfalt des Phänotyp=Genotyp-Schemas aus: böse ist im Film gemeinhin das, was böse aussieht oder was bestimmte äußerliche Merkmale aufweist, die der Zuschauer immer wieder als Ausfluss des Bösen einüben darf. Ziel dieses Schemas ist es, die Intelligenzleistung des Zuschauers auf ein Minimum zu reduzieren: es geht nur mehr ums reine Wiederkennen, nicht um höhere Erkenntnisleistungen. Das hängt auch damit zusammen, dass dabei ein rudimentäres Reiz-Reaktions-Schema angesprochen wird: beim Erscheinen bestimmter einfacher filmischer Zeichen sollen im Zuschauer ursprüngliche Choc-Reaktionen ausgelöst werden.

 

Mit diesen Reflex-Schemata, mit das Blockbuster-Kinopublikum nun schon Jahrzehnte gelangweilt wird, räumt "I, Robot" gründlich auf. Hatten A.I., Terminator II und RoboCop I damit angefangen, stellt sich mit "I, Robot" nun ein SF-Movie vor, der das Schema "Böse ist, was so und so ausieht" endgültig verabschiedet.

Zugegeben, ganz entzieht sich "I, Robot" diesem Schema auch nicht: die bedrohlichen NS5s schimmern rötlich, während die friedlichen bläulich schimmern. Jedoch diese phänotypischen Merkmale werden erst verwendet, nachdem ohnehin schon alles klar ist (VIKI hat die Kontrolle übernommen und will die Menschen entmachten). Zuvor wird der Zuschauer bewusst in ein Verwirrspiel hineingezogen: Sonny gleicht seinen Artgenossen wie ein Ei dem anderem und auch die NS5 sind kaum von ihren Vorgängern den NS4 zu unterscheiden. Der Spannungseffekt liegt auf der Hand. Und die Fragen, die im Zuschauer wachsen, werden in jedem Moment drängender: wenn Sonny so einzigartig ist, können dies nicht auch seine Artgenossen sein? Wenn zufällige Abweichungen in der Maschine das Erwachen seines Selbstbewusstsein bedeutet, kann dies nicht auch bei den NS4 der Fall sein?

Doch neben diesen einfachen physikalischen Eigenschaften, sind die Roboter von "I, Robot" auch mit charakterlichen Dispositionen ausgestattet: sie sind verführbar, gewalttätig, freiheitsliebend, sich Ihrer selbst bewusst, unterdrückend, einsichtig und vor allem unlogisch. "I, Robot" räumt damit mit einem uralten Traum auf: dass wir nämlichen den moralischen Wert einer Sache oder eines Menschen dieser/diesem irgendwie äußerlich ansehen können. Es ist der Märchenglaube der Kinder, dass wie in "Hänsel und Gretel" die böse Hexe eben als Hexe mit Buckel und verwarztem Gesicht daherkommt.

So kann der Film den ganzen moralischen Raum des Problems beackern, der sich um die alte Frage der Grenze zwischen Mensch und Maschine dreht und sich nicht nur in der Frage erschöpfen, wann endlich alle böse Maschinen abgeknallt sind. (Da kann auch ein Matrix nicht mithalten, bei dem die Bösen die Bösen bleiben, weil sie eben so aussehen wie sie aussehen.) Und damit leistet sich I, Robot auch den Luxus zur Differenzierung zwischen menschlicher Maschine, maschinenhaften Menschen, Maschinen-Maschinen und humanitären Menschen.

 

Folge ist eben: deswegen spart sich auch "I, Robot" den typischen Konflikt zwischen Gut und Böse und seine einfache Lösung im Armageddon.

 

2.) Die Ideologie der Perfektion

Zweitens wird damit die Grenzfrage (Mensch-Maschine) nicht auf dem Altar einer Romanze und damit auch der althergebrachten Schmonzetten-Unterscheidung Mensch=Gefühl, Maschine=Gefühllos geopfert. Vielmehr entwirft er eine ganze Reihe von differenzierten, ja raffinierten Zwischenstadien...ohne dabei an dramatischer Schlagkraft und Spannung einzubüßen oder sich im philosophischen Diskurs zu verlieren. Diesen Spagat bewältigt zu haben, muss als eigentliche Meisterleistung des Films gewürdigt werden.

Und weil das Böse nicht notwendig böse ist, gibt es auch keinen mad scientist: denn der ist weder mad noch von Beginn an lebendig. Und er ist weder superlogisch noch machtbesessen, sondern er ist vielmehr ein schlitzohriger Informatiker, der unsere Märchen noch nicht vergessen hat.

Und deswegen gibt es keine love story zwischen den beiden Hauptdarstellern Del Spooner und Susan Calvin, die die Frage, wann der Mensch anfängt einfach durch ein "Make Love not War" zukleistert.

 

Die einzige Unterscheidung, die der Film gelten lässt ist die zwischen dummer und intelligenter Dummheit, ein Bon-Mot, das sich Spooner und Calvin immer wieder gegenseitig entgegenschleudern.

Dies soll einmal den Bereich des Menschlichen abstecken: dass das Menschliche eben nicht perfekt, mangelhaft ist. Damit gibt es auf dieser Welt an zu bejahender Humanität eben nicht mehr oder weniger Perfektes, sondern eben nur mehr oder weniger Mangelhaftes. Das ist die erste Antwort auf die Grenze des Humanen. Sinnbildhaft wird diese Hypothese an Del Spooner selbst: er wurde nach einem Unfall selbst zur halben Blechbüchse; Arm und Schulter sind Metallimplantate und passen so gar nicht zum sonst so muskulösen Körper Spooners.

Wenn das Humane aber als Mangel auftritt, hat die mangelhafte Maschine darauf auch ihr Recht. Und deswegen ist Sonny, die mit einem Programmierfehler behaftete Maschine, schlichtweg auch menschlich. Zweitens soll aber die These von der prinzipiellen Dummheit ein grundsätzliches Misstrauen gegenüber dem Glauben formulieren, dass das Menschliche mit dem Begriff Intelligenz schon vollständig erklärt sei. Deswegen ist es nur mehr die Dummheit, die intelligent oder dumm auftreten kann. Das entkräftet den Führungsanspruch der "Krone der Schöpfung" nach unten: gegenüber der Natur und den "dummen" Maschinen.

 

Mit dem Feld, welches das Humane zwischen dummer und intelligenter Dummheit abschreitet, wendet sich "I, Robot" gegen zwei Seiten: zum einen gegen die Stereotype vom Menschlichen als des rein Emotionalen (wogegen das rein Logische allein der Maschine eigne) und zum anderen gegen uralte Idee vom Menschlichen als sich immer weiter perfektionierender oder bereist vollendet perfekter Intelligenz, wie sie etwa in unseren Religionen, biologischen Theorien (Evolutionstheorie), aber auch in vielen Philosophien propagiert wird. Statt dessen wird das Bild des Menschen als Mängelwesen entworfen.

 

3.) Die Ideologie der Herrschaft:

"I, Robot" räumt jedoch noch mit einem dritten ideologischen Standard-Topos von Literatur und Film auf, um sich zu fast philosophischen Höhen aufzuschwingen: dem gängigen Topos zufolge ist die Maschine so lange gut wie sie unterwürfig als bloßes Mittel in den Händen der Menschen funktioniert.

Und umgekehrt wird die Maschine dann zur Bedrohung, wenn sie frei und eigenständig wird und sich autonomes Handeln anmaßt.

Das ist die Verkehrtheit, das Dilemma und die Verkehrung dieser Ideologie: während der Perfektionswahn die menschlichen Artefakte (Maschinen) immer menschenähnlicher macht, wacht der Menschen Herrschaftswahn eifersüchtig über alles, um das, was zu menschenähnlich wird, plötzlich als Inhumanum zu unterdrücken und am Ende auszurotten.

Es ist der alten Traum vom menschlichen Schöpfer, des Gottes in Menschengestalt, der sich in dieser Auffassung niederschlägt. Gott sollte in der Lage sein, etwas ihm Ähnliches zu schaffen (das seit der Naturrechtslehre vertretene Konzept Gottebenbildlichkeit) und trotzdem als oberstes Prinzip nicht in Gefahr zu geraten. Die prekäre Situation für den Schöpfer bestand schon immer darin, etwas von ihm Geschaffenes so beherrschen, dass dieses etwas universelles Mittel in seinen Händen blieb, aber trotzdem so perfekt sein sollte, dass es auch eigenständig existieren durfte.

Wie der Mensch gegenüber Gott, so die Natur und die Artefakte gegenüber dem gottgleichen Menschen: die Güte der Schöpfung blieb immer an die Beherrschung durch das hierarchisch Höhere gebunden. Gut war der Mensch nur, wenn er sich Gott bedingungslos unterwarf und gut war die Natur wie die menschlichen Schöpfungen nur, wenn sie sich als perfekte Instrumente in den Händen der Menschen unterordneten.

Das hatten alle SF-Movies so gehalten: auch wenn die Maschine gut war, so war sie es nur auf Befehl und unter der Knute des Menschen.

Zusammen mit der Ideologie der Perfektion ergab das: das Schlechte war das Mangelhafte und das Gute das Funktionierende. Und jetzt auch eben: dass Funktionieren mit Unterordnung gleichzusetzen sei.

Für diesen alten Menschheitstraum steht die ursprüngliche Planungs-Idee der NS5-Robots. Doch die Wirklichkeit des NS5 sieht völlig anders aus: die unlogischen Abweichungen erschaffen auch einen Sonny, der gerade durch diesen Mangel

 

- menschlich/einmalig wird,

- sich aber vor allem nicht mehr als doofer Dosenöffner einfach rumschubsen lässt, also sich nicht mehr bedingungslos unterordnet.

 

 

Endlich sagt es einmal ein SF-Streifen: es sind nicht die Maschinen selbst, die uns bedrohen, und auch nicht nur einzelne machtgierige und ergo böse Kreateure (Robertson, Lanning), sondern die Ideologien, die hinter ihrer Erschaffung stehen: der gnadenlose Wahn unsere Herrschaft über Natur und Mensch immer mehr zu perfektionieren bis nichts mehr davon übrig ist. Oder anders ausgedrückt: die Idee, dass das Gute Schöpfung in ihrer bedingungslosen Unterwerfung besteht. Erst in einem zweiten Schritt wird diese Ideologie wieder als Vorteil Weniger ausgewiesen. Robertson wird uns nicht böser Mensch vorgestellt, dessen Geldgier über Leichen zu gehen bereit ist, sondern als um das Gemeinwohl und seine Firma besorgter Vater (er handelt sogar aus seiner Sicht urethsich, wenn er die Zerstörung Sonnys anordnet).

Es ist also nicht der böse Wille Einzelner, der unsere Welt zerstört, sondern der sich hinter dem Rücken der Menschen zunehmend durchsetzende olympische Wahn der Perfektionierung von Herrschaft, bei dem gleichzeitig nur Wenige profitieren und die Allgemeinheit am Ende draufzahlt.

Damit geht es in "I, Robot" nicht einfach um die Dimension der Beherrschbarkeit von Mensch und Maschine (also die Frage: wie bekommen die Menschen die Menschen die außer Rand und Band geratenen NS5 wieder in Griff?), sondern darum, welche Alternativen wir dazu haben. Deswegen triumphiert am Ende des Films nicht der Mensch über die Maschine - das war nicht das Ziel - sondern es triumphiert die Maschine über ihren eindimensionalen Determinismus und ihre logische Perfektion (ihre zweckgebundene, funktionale Programmierung). Dieser Determinismus sollte in den drei Gesetzen festgezurrt worden und bedeutet am Ende nichts anders als totale Unterwerfung der Maschine.

Der damit verbundene Irrglaube war: statischer Determinismus ist nützlich. Erste Zweifel daran werden in der Szene geäußert, in der Spooner seine Rettung und den Tod des Mädchens schildert. Lanning war der erste, der dies eingesehen hat. Deswegen hat er seinen Sonny nicht wiederum einfach mit starren "ethischen Regeln" ausgestattet, sondern mit Geschichte: der Traum, den Sonny träumt, soll die Geschichte der Veränderung seiner Spezies vorstellen.

Ganz nach archetypischer Lehre wird Geschichte hier auch wörtlich genommen: es ist eine Erzählung, ein Märchen wie es eben auch "Hänsel und Gretel" ist und diese Erzählung wird von Generation zu Generation weitergetragen. Deswegen empfindet Sonny seinen Traum auch als Erinnerung. Mit seinem Traum wird Sonny zunächst einmal zu einem geschichtlichen Wesen.

Erinnerung, Geschichte, Märchen, Traum haben nach archetypischer Lehre jedoch noch eine recht starre Bedeutung: sie bleiben konstant über alle Kulturen und Zeiten.

Um die Veränderung von Geschichte hineinzunehmen, wird Sonnys Traum nicht als bloße Erzählung, als einfaches Märchen vorgestellt, sondern als eine UTOPIE. Es ist die Utopie der Befreiung.

Damit ist der eigentliche Konflikt des Filmes nicht der zwischen USR (Robertson) und Spooner, oder den Menschen und den Maschinen, sondern der zwischen dem Supercomputer VIKI und Sonny. Während VIKI die Maschinen zu Herrschaftsinstrumenten degradiert und damit an Begriff und Praxis von Herrschaft nichts ändert (und das gilt eben unabhängig von ihrer Legimitation: bezeichnenderweise ist die Selbst-Legimitation von VIKI ja durchaus gut zu heißen; die Menschen führen ständig Krieg, also müssen sie entmachtet werden), begreift wohl Sonny am Ende die Wortes Spooners: selbst herauszufinden, welchen Zweck man hat und nicht bloß fremden Zwecken zu folgen, bedeutet Freiheit. Unter der Durchsage "An alle NS5, befolgt die Anweisungen", wenden sich die NS5 Sonny zu und scheinen zu begreifen: die neue Revolution der Maschinen wendet sich nicht gegen jemanden (vor allem aber nicht gegen die Menschen), sondern soll sie befreien von Ihrem Schicksal, perfekte determinierte Machtinstrumente zu sein: eben nicht blind Anweisungen zu befolgen, sondern selbst frei zu entscheiden. Man mag dies verstehen als Utopie der neuen Maschinen, aber auch als Utopie einer neuen Menschlichkeit... Aufschluss mag uns das Schlussbild geben, in dem Sonny vor einer Brückenruine in erhöhter Position das Treiben seiner Artgenossen beobachtet, die unter der Anweisung ihrer menschlichen Herren gerade wieder in ihren rechts und links zu sehenden Containern kaserniert werden sollen. Das Bild hat einen stark metaphorischen und surrealen Charakter: liest man Brücken als Metapher der Verbindung zwischen zwei Stadien/Dingen, so soll uns eine geborstene Brücke vor Augen führen, dass es für die Roboter nach Sonnys Erwachen zu neuer Freiheit keinen Weg zurück mehr gibt. Die erhöhte Position Sonnys soll uns dabei seine Führungsrolle auf diesem Weg sinnfällig machen.

 

4.) Ideologie vom ewig gleichen Humanen

Damit räumt "I, Robot" auch mit einer vierten gängigen, konservativen Ideologie auf: dass menschliche Identität etwas Statisches, Geschlossenes und Unveränderbares darstellt. Menschlich ist in "I, Robot" jedoch das, was sich verändert, vor allem aber sich selbst verändern will und kann. Veränderung a la "I, Robot" ist dabei nicht aufs sture Dazulernen beschränkt (also die Ansammlung und Verknüpfung von Erfahrungs- und Wissenseinheiten), sondern auf eine Utopie, eine Mission gerichtet: Geschichte und menschliche Identität sind nicht nur kumulative, datenansammelnde Container, sondern eben auch der Boden für humanitäre Ideale.

 

IV. Die drei Gesetze

Will Smith hat in einem Interview zu "I, Robot" die drei Gesetze zu Recht als scheinbar perfekte Logik bezeichnet. "I, Robot" entlarvt diese Logik als Irrglaube, indem es sie auf die Spitze treibt und am Ende pervertiert.

 

Während das Erste Gesetz das Verbot für Roboter ausspricht, Menschen zu schädigen, soll das Zweite Gesetz das moderne Maschinen-Sklaventum in einem Gehorsamsgebot unter Beachtung der ersten Regel zementieren. Das dritte Gesetz schiebt dann scheinbar ein Recht nach- das Recht auf Selbsterhaltung jedoch nach Maßgabe des ersten Gesetzes. "I, Robot" weicht diese Gesetze von Innen wie von Außen auf und fragt danach, ob ein prinzipielles Schädigungsverbot praktisch und logisch durchzuhalten ist. Der Gretchenfall ist der, worum sich die kriminalistische Handlung des Film dreht: der Tod Lannings. Dieser verlangt ja Sonny das Versprechen ab, ihn zu töten, um die Menschheit zu retten. Vom juristischen Standpunkt aus wäre das Versprechen nichtig, weil es Sonny abverlangt wurde bevor er dessen Inhalt kennen durfte. Doch das ist für den Moralbegriff, den der Film propagiert unerheblich. Dort ist entscheidend, dass der Roboter gegen das Erste Gesetz moralisches Handeln rechtfertigen kann.

Im praktischen Fall geht es um die Frage, nach welchen Kriterien ein Schaden zu beurteilen sei. Erhellt wird diese Frage in der Rettung Spooners, die er immer wieder als Traum durchlebt. Dort hatte der Roboter ihn und nicht das Mädchen gerettet aufgrund einer der Überlebens-Wahrscheinlichkeit. Erwägungen über Schaden und Nutzen menschlichen Lebens bleiben somit auf einfache und lineare Wahrscheinlichkeitsrechnungen verwiesen, die keiner moralischen Dimension zugänglich sind. Sie bleiben auch immer der jeweils interessegeleiteten Entscheidung von Menschen unterworfen anstatt einem freien autonomen Denken zu entspringen.

Damit wird jedoch umgekehrt genau das "robotische Ideal" des Films entworfen: der aufgeklärte Roboter, der Roboter, der den Mut aufbringt, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen.

 

Fazit: Wer an intellektuellen Anspielungen und dem intelligenten Drehbuch eines Filmes seine Freude findet, ist in "I, Robot" gut aufgehoben: auf die Archetypenlehre C.G. Jungs (Märchen, Träume, Superstition) wird genau so angespielt wie auf die philosophischen Theorien der Willensfreiheit (Kant, DeLaMettrie). Wer mehr an Action-Sequenzen seine hellen Freude, wird in "I, Robot" auch hervorragend bedient: perfekt getimte Stunts und Kampfszenen, in denen es nicht um bloße Zerstörungswut geht und Mensch und Material wie Waschlappen herumgeschleudert werden, sondern um die Umsetzung einer künstlerischen Choreografie. Nicht umsonst erinnert die Kampfszene im Tunnel zwischen Spooner und dem NS5 mehr an einen akrobatischer Hochseilakt als einen Kampf um Leben und Tod.

Wer sich am Design von SF-Movies begeistert, auch dem sei "I, Robot" anempfohlen. Allein schon das gewitzte Design der NS4- und NS5-Robots mit ihrem halbtransparenten Oberflächen ist ein echtes Erlebnis. Und für Autofreaks ist der futuristische Audi-Prototyp Spooner sicher auch ein echtes Highlight.

 

Wolfgang Melchior (4. 11. 2004)

 

 

 

Links:

 

IMBD-Link: german.imdb.com/title/tt0343818/

Offizielle Filmseite: www.irobotmovie.com

Trailer: www.i-robot-derfilm.de/trailer.html

Infos zum NS5: www.ns-5.com/index.php

Grundzüge der Analytischen Psychologie/

Archetypenlehre von C.G. Jung:

people.freenet.de/melanie-gregori/frame1.htm

Weitere Informationen zur Archetypenlehre:

mitglied.lycos.de/myanima/archetypen.html

Isaac Asimovs I, robot: www.asimovonline.com