6. Oktober 2004

Denkmal des unbekannten Künstlers

 

Für die großen Verlage ist die Buchmesse nicht mehr als eine alljährliche Pflichtveranstaltung, bei der sie sich und ihre Autoren feiern, mit Sekt und lieblos aufgeschütteten Keksen. Ihre Bücher werden ohnehin besprochen und verkauft. Eigentlich bräuchten sie keinen der hässlichen Messestände. Für Kleinverlage dagegen ist es die einzige Chance, sich einer breiteren Öffentlichkeit zu präsentieren. An einem dieser Mini-Stände wird man eingeladen, einfach zu lesen. Und mit etwas Glück trifft man dort auch auf den Spaßvogel, der seiner Herausgeberin im Vorwort dafür dankt, dass sie ihn verlegt und dennoch immer wieder findet. Noch mehr als auf den Humor des Autors Peter Maibach lässt die Witzbereitschaft aber Rückschlüsse zu auf den privaten Umgang, den sich ein kleiner Betrieb wie der Schweizer „Verlag Einfach Lesen“ noch leisten kann. Zumal es sich bei Verlegerin und Autor um Ehepartner handelt. Bei so viel Familiensinn kommt freilich eine gewisse Skepsis bezüglich der Qualität der Publikationen auf, die sich jedoch bei dem „Internetkrimi in und rund um Bern“ als unangebracht erweist.

 

„Helens Bild“ ist gewiss kein großer Wurf, und doch gelingt Peter Maibach mit seinem Debüt etwas, das nicht zu unterschätzen ist. Man liest das Buch bis zum Schluss und mit Genuss. Und das liegt kaum am unglaubwürdig aberwitzigen Verschwörungsplot, bei dem eine Organisation namens „Trool“ die Weltherrschaft anstrebt. Der Titel „Helens Bild“ verrät auch fast schon zu viel, als dass die Vermutung nicht von Anfang an nahe liegt, der Schlüssel zur Auflösung des Falls verstecke sich in genau eben diesem. Was einen bei der Stange hält, sind neben den hausbackenen philosophischen Gesprächen zwischen dem Kameramann Samuel Hender und dem Künstler Bronsky á la „Deine Bilder sind bewegt, meine Bilder bewegen“ die gut verschachtelten Perspektivwechsel und Zeitebenen. So erfährt der Leser nach und nach, welche Umstände Hender zu einer traurigen Figur werden ließen und somit anfällig machen für den Charme der hübschen Agentin der obskuren Organisation.

 

Am Besten ist Maibach aber die Beschreibung des Künstlers gelungen. „Bronsky stand wie das Denkmal des unbekannten Künstlers da, gelassen die Hände in den Hosentaschen.“ Auf seiner ersten größeren und leider auch letzten Vernissage spielt der Maler den großen, abgebrühten Künstler. In Wahrheit freut er sich aber nur diebisch auf den zu erwartenden Neid seiner Malerkollegen. Ein kurzer Spaß. Denn, nicht zu vergessen, die Trool treibt ihr Unwesen und macht auch vor der Boheme nicht halt.

 

Gustav Mechlenburg

 

Peter Maibach: Helens Bild, Roman, 208 Seiten, Verlag Einfach Lesen 2004