21. Mai 2004

Strand ohne Kafka

 

Und wieder will es keiner gewesen sein. Auch Kai und Richard möchten nicht mit gewöhnlichen Travellern verwechselt werden. Besonderheit zählt spätestens seit Bruce Chatwin so zwangsläufig zu jedem guten Reiseroman, wie es zum unerträglichen Klischee eines jeden Trips avanciert ist. Wenn ein Thailand-Urlaub aber eine so fatale Wendung nimmt wie in Volker Wachenfelds Roman „Der Trip“, gönnt man dem Pärchen aus Hamburg seine Selbstlüge zunächst einmal gern.

Die Fitnesstrainerin Kai beherrscht das Wo-kommt-ihr-her-wo-fahrt-ihr-hin-Spiel zwar perfekt, hat aber überhaupt keine Lust auf Thailand. Ihr ist es zu dreckig, zu heiß, und die Thais sind ihr zu gleichgültig. Ihrem Freund Richard ist das gerade recht. Denn weil er fürchtet, sich bei einem Prostituierten infiziert zu haben, kommt ihm ihre Lustlosigkeit, die sich auch im Bett äußert, gelegen. Nur scheitert die Beziehung ohne Sex dann bald. Und Kai schließt sich zwei Lesbinnen an. Von nun an geht es für Richard rasant bergab. Er wird gemobt und als „Monster unter Palmen“ mehrfacher Morde an israelischen Touristen verdächtigt. Die waren vor ihrem Ableben selbstverständlich immer gut drauf, kifften bis zum Anschlag und beschallten die ganze Feriensiedlung mit Cafe-del-mar-Scheiben aus ihrem Ghettoblaster.

Wachenfeld spielt grandios mit Vorurteilen und flicht in den fesselnden Plot geschickt Themenkomplexe wie Sextourismus, Rassismus und buddhistische Weisheiten mit ein. Am besten aber ist er, wenn er bis ins Komische hinein übertreibt und irritiert. Etwa wenn er den Schauspieler Leonardo DiCaprio auf die Bühne ruft, der gerade in Thailand „The Beach“ abdreht, um ihn hochgestochen interkulturelle und philosophische Überlegungen anstellen zu lassen.

„Der Trip“ ist ein geistreicher Zwitter aus Krimi und Reiseroman mit Hang zum Absurden. Aber Vereinnahmung geht schnell. Man sieht in Gedanken schon die Traveller vor sich, wie sie sich das zerfledderte Buch gegenseitig ausleihen, davon schwärmen und wieder jeder denkt, nicht selbst gemeint zu sein.

 

Gustav Mechlenburg

 

Volker Wachenfeld: Der Trip, Aufbau Verlag 2004, 250 Seiten,18,50 Euro

 

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Financial Times Deutschland 21.5.2004