9. April 2004

Geschichten von der Prohibition

 

Über die ätherischste Art, wie man Helden kreiert, Bescheid zu wissen, darüber lässt dieser Regisseur keinen Zweifel. Es ist nicht der Trotz, es besser zu machen, nachdem man Mist gebaut hat, es ist nicht der verzweifelte Griff zur Knarre und der Glaube, die eigene Besinnungslosigkeit zur schamanischen Auslöschung des Gegners ausnutzen zu können, sondern es ist die Erinnerung an die eigene bedrohte Zukunft in Gestalt einer vernichteten Kreatur, die sich für den Einsatz bedankt, während der Rest des Universums schadenfroh und überhaupt sich ins Fäustchen lacht.

 

Es ist die wahrste, härteste, aber gerade deshalb auch kitschigste Szene des Films. Man spürt quasi den Äther, der mit der Mutter, die gerade ihr Kind verloren hat, in das Büro einbricht, und das Hirn benebelt, wenn er denn nicht verboten wäre. Oder zumindest seine flüssigen Kompagnons. Aber die Wirkung auf den lädierten Agenten des Schatzamts (Kevin Costner) ist die gleiche: Das Lamento der Mutter wirkt wie eine Droge. Der Maskenbildner hat hier ganze Arbeit geleistet. So viel zur Funktion der Frauen als Mütter mit bedrohtem Anhang in diesem Film (die zitierte Treppengeschichte als im Grunde positivierter Treppenwitz bestätigt diese Festlegung nur – das allerdings filmisch und akustisch so souverän, wie man das von Brian de Palma erwarten kann).

 

Nach dem ersten Fehlschlag des Agenten und dem beinah religiösen Auftrag durch die gequälte Kreatur als faktische mission impossible kann die lustige David-gegen-Goliath-Geschichte dann losgehen. Richtig spannend ist diese Mafia-Geschichte also nicht. Sie ist eher albern. Auch wenn hier und da Kugeln in Köpfen stecken bleiben. Aber wer nimmt schon den Streifenpolizisten Sean Connery ernst? Oder den zutiefst unterwürfigen und seiner anfänglichen Klappe-auf-Rolle nicht nachkommenden Andy Garcia? Oder diesen Buchhalter-Deppen mit absurden Terminator-Allüren, die ihm am Ende auch nicht weiterhelfen. Aber die Chose muss durchgezogen werden, das Gesetz, die Not, das Leid (das nicht das des Abstinenzlers ist). Der Agent kennt keine Gnade – und auch keine Familie mehr. Das ist amerikanischer Patriotismus (allerdings in der Schwächelform bloß formaler Legalität – aber wozu hat ein Land denn Agenten).

 

Der Gegner bei all dem? Die berühmteste Inkarnation eines Familienoberhauptes, seitdem es sie, die Familie, in Gestalt der italienischen Mafia gibt: Al Capone. Robert de Niro gibt ihn ostentativ als einen Nero, der entzückt ist von seinen immer passenden und belustigenden Bemerkungen und Antworten und der auch in der eigenen Galerie nicht vor entschieden artikulierter Härte zurückweicht. Dass er sich auch auf der anderen Seite wie es sich gehört zu bewegen weiß, zeigt er später als Vater in den „Straßen der Bronx“. Hier aber sieht der Zuschauer respektvoll und neidisch, dass er seine Steuern nicht bezahlt und es sich deshalb leisten kann, in einem teuren Hotel zu wohnen. Nicht so schön ist natürlich, dass Capone immer diese fetten Säcke und schwerhörigen Greise um sich hat, aber das gehört nun einmal alles zur Familie.

 

Dramaturgisch hat David Mammet alles daran gesetzt, dass die Handlungsfäden gegen Ende dann doch sehr schnell auf eine Person zentriert werden, deren Herkunft unter normalen, bürokratischen Bedingungen vielleicht ein paar Ecken mehr gebraucht hätten, aber man dankt es dem Drehbuchmann, dass die Entlarvung Capones zügig zum Abschluss kommt, denn der Knaller kommt ja erst noch zum Schluss, aber gegen Gesetzesänderungen kann ein Agent erstens überhaupt nichts haben, und zweitens kommt man manchmal erst dann richtig zu sich, wenn man ordentlich unter Strom steht, was diesem geraden Menschen man aufrichtig wünscht.

 

Dieter Wenk

 

<typohead type=2>Brian de Palma, Die Unbestechlichen (The Untouchables), USA 1987</typohead>