Dying Lolitas
Wenn man den delirierenden Jack Nicholson am Anfang des Films sieht, meint man vielleicht zunächst, im falschen Film zu sein, „Beruf: Reporter“, Antonioni, aber natürlich sieht Nicholson in dem Film noch richtig gut aus. In „Das Versprechen“ steht Nicholson als Jerry schon kurz vor der Pensionierung. Er ist Polizist, und man feiert ein Abschiedsfest. Dann kommt die Nachricht, dass ein Mädchen brutal umgebracht worden sei. Jerry ist Feuer und Flamme, immerhin hat er offiziell noch sechs Stunden Dienst.
Kurze Zeit später ist er schon am Tatort, die Eltern lernt er auch gleich kennen. Sehr fromme Menschen. Die Mutter nimmt ihm ein Versprechen ab, so lange zu suchen, bis er den Mörder gefunden hat, Jerry „schwört bei seinem Seelenheil“. Dabei ist er Agnostiker. Aber er nimmt die Sache wirklich sehr Ernst. Nicht so wie seine Kollegen, die sich schnell mit einem Sündenbock zufrieden geben. Endlich lernt man mal die subtilen polizeilichen Ermittlungsmethoden gegenüber Schwachsinnigen kennen. Das grenzt schon an lizenzierte Para-Homosexualität. Die gute alte Hypnose. Da kriegt man jeden ins Bett und in die Zelle. Aber so doof ist der arme Kerl dann doch nicht und schießt sich nach schlauer Entwaffnung eines Polizisten in den Kopf.
Damit könnte der Fall erledigt sein. Aber Jerry will noch nicht in Rente gehen. Denn das Versprechen hat er ja gehalten, auch wenn man den Falschen gefunden hat. Natürlich, wenn’s ein Serienmörder wäre. Dann sähe es wirklich schlecht aus mit dem Heil, vielleicht ist ja was dran. Als nächstes schickt Jerry einen Tankstellenbesitzer (Harry Dean Stanton) im tödlichen Dreieck der Tatorte, an denen tatsächlich kleine Mädchen in roten Röckchen umgebracht wurden, in die Wüste und übernimmt die Herrschaft als Ermittler im göttlichen Auftrag. Natürlich lernt er eine Frau kennen, die ein kleines Mädchen hat. Die auch noch bei ihm einziehen. Die Kleine wird gnadenlos angemacht. Das sieht der eifersüchtige Papa gar nicht gern. Paranoia? Der Herrgott im Nacken? Der Beginn der Gläubigkeit? Das Umfeld ist ganz danach. Ein bei seiner Mutter lebender Single, der auch als Priester tätig ist, würde haargenau auf den Mörder passen.
Kurze Zeit später rückt Jerry selbst in den Kreis der Verdächtigen auf. Und dann auch noch jener kleine Junge, der anfangs das frisch ermordete Mädchen fand. Seltsame Fokussierungen, die so auch nur im Film vorkommen. Oder im Krimi. Am Ende kann Jerry seinen ehemaligen Kollegen klar machen, dass da doch was dran ist an dem noch nicht gelösten Fall. Die Kleine dient als Köder, allein der Mörder lässt sich Zeit und hat sehr viel Verspätung, zu viel, wie Jerrys Nachfolger meint. Die Aktion wird abgeblasen, außerdem hat der Mörder, den man jetzt gar nicht richtig kennen gelernt hat, einen tödlichen Unfall. Der Düpierte ist natürlich Jerry, denn jetzt ist die Ewigkeit in der Endlichkeit angekommen. Wie will er denn jetzt jemals noch den Mörder finden?
Klar, dass Jerry darüber den Verstand verliert. Man merkt dem Film seine Ambitioniertheit an. Aber es klappt nicht. Schon der Anfang mit dem Mädchen, wo bleibt da das Grauen? Die sentimentalen Pausen. Die Natur. Der Film zeigt gleichsam auf alles mit einem Finger, um zu verstehen zu geben, wie man das jetzt erleben soll. Das passt ganz gut zur Schauspielerei von Sean Penn, der hier aber gar nicht auftritt.
Friedrich Dürrenmatt muss übrigens ein uramerikanischer Autor sein.
Dieter Wenk
<typohead type=2>Sean Penn, Das Versprechen, USA 2000</typohead>