10. Oktober 2025

Ein selbstloser Mann

 
Da ist sie.
Ich bin vorbereitet. Wir werden über alles reden. Alles. Werden den Haushalt aufteilen. Sie schwebt in den Raum. Oh, sie sieht gut aus. Besser als jemals zuvor. Warum sind wir getrennt? Das ist unverständlich. Völlig unverständlich.
Warum sind wir getrennt? Ob ich sie das fragen sollte? Lieber nicht. Sie könnte mir meine drei Affären vorwerfen. Das sind die, von denen sie weiß. Und dann war da auch noch eine mit ihrer besten Freundin. Sorry. Das wollte ich nicht. Nein. Wie konnte ich nur?
Die beste Freundin, das ist gar nicht so schlimm. Das ist gut. Ja. Da bleibt es für alle Beteiligten etwas Vertrautes. Kein Betrug. Das ist kein echter Betrug. Das ist wie ... wie eine Hand, die man zu weit ausgestreckt hat. Schlimm, aber nicht so schlimm, dass man es nicht verzeihen könnte. Genau wie meine Liebelei mit ihrer Schwester. Das ist doch schon fast etwas in der Familie. Eine Art Fastsex mit der eigenen Frau. Es mit der Schwester zu tun, ist so, als würde man es fast mit der eigenen Frau tun.
Es geht um Liebe. Nie um schnellen Sex. Ich bin ein Mensch voller Liebe. Das muss sie wissen. Wie sie mich ansieht. Ob ich was Ekliges im Gesicht habe? Einen Krümel? Rotz? Wischen. Ich wische und sage: „Ah, Schatz, dann wollen wir mal aufteilen.“
Sie steckt sich den Finger in den Mund, als würde sie sich gleich übergeben müssen. Nicht schlecht. Das ist irgendwie intim. Wir kommen uns näher. Das ist ein gutes Zeichen. Sie zeigt auf verschiedene Möbel. Den Schrank? Will sie. Dies und das. Sie will alles. Warum nicht! Sie nimmt alles, dann haben wir auch alles, wenn wir wieder zusammenkommen. So schlimm war das nicht, was ich getan habe.
Die beste Freundin, die Schwester und ... ihre Chefin. Ja, genau, die gab es auch noch. Das habe ich doch gut gemacht. Das verschafft ihr Macht gegenüber der Chefin. Das bringt sie voran. Das wird sie nach oben bringen. Selbstlos. Ich war selbstlos. Ich habe etwas für ihren Aufstieg getan. Das muss ich ihr sagen. Aber wie? Ich habe für deine berufliche Laufbahn gevögelt. Nein, das kann ich nicht sagen.
Ich greife nach der Fernbedienung.
„Kann ich die haben?“, frage ich. Die will ich. Sie hat den Fernseher. Dann will ich wenigstens die Fernbedienung. Ich muss mich durchsetzen. Irgendwie durchsetzen. Muss zeigen, dass ich nicht kampflos aufgebe. Sie bekommt den Fernseher. Ich die Fernbedienung. Nein. Sie ist hart. Ja, das mag ich. Das macht mich irgendwie ... scharf.
Hart bleiben, denke ich. Nicht die Fernbedienung? Dann die Batterien aus der Fernbedienung.
Oh oh, was habe ich getan. Tränen. Sie wird gleich weinen. Sag etwas.
„Nein, so wichtig sind mir die Batterien nicht.“ Mist, das hätte ich nicht tun sollen. Etwas muss bleiben, was mir gehören wird. Ich muss auch kämpfen können. Muss es. Eine Batterie. Um die kämpfe ich. Ich greife nach der Fernbedienung, öffne das Batteriefach. „Eine Batterie?“, frage ich flehend. Nein. Sie schüttelt den Kopf.
„An der hänge ich“, sagt sie nur kurz. An der hängt sie. Lächerlich. An der hänge ich. Ich zeige umher. Darf ich irgendwas behalten?
Das Bett. Sie zeigt auf das Bett. Stimmt, in dem hat sie mich mit der Nachbarin erwischt. Die hatte ich verdrängt. Die gab es auch. Drei Nachbarinnen. Aber das weiß sie nicht. Ich hatte es nur gut gemeint. Nachbarschaftspflege. Ich wollte, dass wir uns mit unseren Nachbarn verstehen. Ich habe mich körperlich aufgeopfert. Und nun das. Sie wirft mir meinen Kampf für unser Leben vor. Das Bett. Dann nehme ich halt das.
„Nimm es jetzt mit“, sagt sie.
Wie? Jetzt?
Sie verlangt, dass ich es mitnehme. Heute noch. Das ist übertrieben.
„Kann ich mir etwas Tapete abreißen und mitnehmen?“, frage ich.
Sie überlegt. Damit hat sie nicht gerechnet. Nein, die müsse hierbleiben. Die habe sie ausgesucht. Sie sei froh, dass wir keine Kinder haben. Ich sei ein Scheusal. Unsinn. Ich bin ein guter Mann. Ich habe alles getan, was man tun kann, um nur mit Frauen fremdzugehen, die wichtig für uns sind. Nachbarinnen, ihre Schwester, die Chefin. Wer war da noch? Ja, die Verkäuferin im Supermarkt um die Ecke. Das brachte uns Vorteile. Sie hat danach viel freundlicher gegrüßt. Hat extra eine Kasse aufgemacht, wenn sie uns gesehen hat. Wir hatten etwas davon, das würde ich am liebsten sagen. Aber ich schweige. Schlucke alles runter. Würge es tief in mich hinein. Nicht gut. Das macht krank. Das sollte ich lassen. Sie weiß nicht von allen Frauen, sollte es aber wissen, weil es zeigen würde, wie weit ich gegangen bin, um unser Leben aufzuwerten, um es besser zu machen.
„Was ist jetzt mit dem Bett?“, fragt sie.
Ich habe kein Werkzeug. Ich zeige ihr meine leeren Hände.
Die Batterie. Ich will diese Batterie. Ich muss sie haben. Es geht um mein Selbstwertgefühl.
„Ich nehme jetzt diese Batterie und gehe“, sage ich.
Ich muss das beenden. Nein. Ich will sie zurück. Oh, so viele Gedanken. Und dann schießen sie doch noch. Die Tränen rinnen über ihr Gesicht. Ich sei ein Schwein, sie könne nicht ohne diese Batterie leben, aber das sei mir egal, alles sei mir egal. Sie zetert, schreit. Sie steigert sich hinein. Schon gut. „Behalte sie“, sage ich und überreiche ihr die Batterie. Ja, so bin ich. Selbstlos.

Guido Rohm