Die Kontaktaufnahme

Er putzt. Poliert. Putzen kann jeder, denkt er, das macht er nicht. Er poliert. Seine zwei Autos, die drei Motorräder. Das ist sein Image. Er ist ein Besitzer von blinkenden Fahrgelegenheiten. Fahrbare Untersätze, die er nie fährt. Denn dann würden sie dreckig. Würden verschmutzen. Das wäre das Grauen. Wo er doch poliert. Poliert. Es ist wie ein Fieber. Nachts träumt er davon. Alles muss sauber sein. Der kleinste Fleck ist sein Gegner. Und mit Gegnern kennt er sich aus. Er ist eine Art Chuck Norris. Ein Kämpfer für die Gerechtigkeit. Außerdem versucht er noch Kontakt zu Außerirdischen aufzunehmen. Das muss doch möglich sein. Deshalb trägt er einen gezwirbelten Bart. Die beiden Enden des Oberlippenbarts Richtung Himmel. Richtung Weltall. Um alles dort oben abzusuchen. Der Bart ist ein Schild im Gesicht. Mit so einem Schild fällt man auf. Auf dem Schild steht: Der Träger dieses Bartes ist eine wichtige Persönlichkeit. Die Persönlichkeit oberserviert das Weltall. Die Persönlichkeit poliert Fahrzeuge. Die Persönlichkeit ist eine Art Chuck Norris.
Und schon ist er wieder draußen. Bei seinen Fahrzeugen. Ach, meine Kinder, denkt er, als sein Bart zu zittern beginnt. Ach, du meine Güte, denkt er, ach du meine Güte. Und weil es ihm gefiel, denkt er noch einmal, ach, du meine Güte. Der Bart zittert. Nein, die Enden vibrieren. Kann es denn die Möglichkeit sein. Könnte es gerade zum Erstkontakt mit Außerirdischen kommen?
Aufgeregt blickt er nach oben. Sucht den Himmel ab. Flieger. Wolken. Das dort könnte ein Raumschiff sein. Hier, winkt er. Hier! Er schreit es lautlos. Wenn die Außerirdischen erst gelandet sind, wird er ihr Raumschiff polieren. Wer weiß, wie das aussieht. Nach so einer langen Reise. Ganz verdreckt wird es sein. Die werden sich freuen, bei einem solchen Chuck Norris gelandet zu sein. Hinab mit euch, ruft er lautlos. Er flüstert es. Die Worte laufen via Speichel aus seinem Mund. Was sollen denn die Nachbarn denken? Die werden sich das Maul zerreißen, wenn sie ihn so sehen, weil sie denken, er sabbert, wo er doch lautlos die Außerirdischen ruft. Kommen nur keine. Scheiß Außerirdische. Wo doch sein Bart so herrlich vibriert hat. Drecksaußerirdische. Die will doch eh keiner hier haben. Weltraumflüchtlinge, denkt er, pah, die will ich hier nicht. Um sich abzuregen, poliert er sein Auto. Eines seiner Autos. Er poliert. Und murmelt. Drecksaußerirdische. Die denken, er wäre nicht gut genug. Pah. Neunmalkluge Außerirdische. Heftiger und heftiger poliert er, bis er merkt, dass er das Auto vom Nachbar poliert, so sehr hat ihn die fehlgeschlagene Kontaktaufnahme aufgeregt. Er blickt sich um. Hat niemand gesehen. Rasch etwas eindrecken. Ausgerechnet in diesem Moment steht der Nachbar neben ihm. Sorry, murmelt er, sabbert er. So eine Aufregung. Er zeigt zum Himmel. Wegen denen, sagt er. Ach, die dämlichen Nachbarn haben auch keine Ahnung, die wissen nicht, dass er Kontakt mit Außerirdischen aufnehmen soll. Angriff ist die beste Verteidigung, denkt er und beschimpft den Nachbarn nun. Der Dreck, den hätte er verdient. Er solle nur aufpassen. Er sei eine Art Chuck Norris. Und er könne polieren. Auch Fressen. Vorsicht also. Er macht einen Schritt nach hinten, als sein Bart wieder vibriert. Heute ist aber wieder was los. Unglaublich. Die nächste Kontaktaufnahme. Keine Zeit, sagt er zu seinem Nachbarn. Und dann blickt er nach oben. Die müssen doch irgendwann kommen. Immerhin ist er eine Persönlichkeit. Hier im Viertel. Hier in der Stadt. Da kennt man ihn.
Und so steht er. Und wartet. Da ist doch was. Da!, schreit er. Endlich kommen sie. Er wedelt mit dem Poliertuch. Was für ein Tag. Er strahlt. Also hat er den Bart doch nicht vergebens getragen. Er strahlt. Und wartet. Und wedelt. Gleich wird er polieren können.
Guido Rohm