Körpertraurigkeit
Klara (Silvia Pankovsen) schwitzt. Als ob ihr Körper weinen würde. Ihre Haare vergießen zahllose Tränen, die Richtung Zuschauer fallen. Ihre Körpertraurigkeit geht als Regen auf uns nieder. Sie trainiert, stemmt Gewicht, als ob es gelte, eine Leichtigkeit zu finden, wenn sie sich nur genug anstrengt. Die Stirn in Falten, die Augen gerötet, formt sie ihren Körper in einem Fitnessstudio, um ihn zu einer wehrhaften Burg zu machen, den Körper, wie wir in Rückblenden erfahren, der von einem Fremden eingenommen und missbraucht wurde, der ihn entweihte und schändete.
Klara, die das Opfer einer Vergewaltigung wurde, will aus sich jemand machen, der den Geschehnissen dieser Nacht trotzten kann, wenn nicht damals, so doch zukünftig.
Muskel für Muskel erschafft sie eine Landschaft, die den Gefahren äußerer Angriffe trotzen kann. Mehr und mehr verweigert sie sich den begehrlichen Blicken der Männer, indem sie alles, was mit Weiblichkeit assoziiert wird, abstreift. Sie lebt für den Kampf, der sie bereits in den Morgenstunden Runden durch einen nahen Wald laufen lässt, das Gesicht wird dabei durch Tarnfarbe zu einem Stück Wildnis, ihre Haare hat sie sich da längst abrasiert, weil sie kahl, spröde und hart zu einem Gebiet werden will, in das sich niemand verirren möchte.
Der Film von Daniel Distel ist eine Art Naturfilm, der von den Veränderungen im Körperareal Klaras erzählt, die, keine Ruhe und Frieden findend, unaufhaltsam den Konflikt sucht.
Der Konflikt, das sind für sie Männer, denen sie auflauert, um sie als Einzelkämpferin eines radikalen Feminismus mit einem Messer zu entmannen. Erst dann, nach einer solchen Bluttat, kann sie etwas Ruhe finden, als hätte sie eine Pflanze geerntet, die sie heilen soll, die aber doch nur Gift in ihre Seelenvenen jagt.
Am Ende ist sie das geworden, wovor sie sich schützen wollte.
„Klara“ von Daniel Distel erzählt in Bildern, die die Fitnesscenteratmosphäre als Körperstahlwerk zeigen, in dem durch die Monotonie der Übungen der Takt für ein Leben vorgegeben wird, das sich darin erschöpft, sich selbst als Produkt zu sehen, das, wenn es fertiggestellt ist, einem Zweck zugeführt werden soll, sei es bei Wettbewerben oder eben auch als Waffe, die zum Einsatz kommt.
Klara trainiert diverse Kampftechniken, übt sich im Umgang mit dem Messer, bis sie schließlich den ersten Schnitt ausführt, von dem sie hofft, dass er sie befreit.
Befreiung wird es nicht geben, nur das Versinken in einem Leben, dessen Ziel das Sterben ist, bis hin zu jener letzten Einstellung, in der Klara sich in einem Spiegel betrachtet und weint, wissend, dass sie sich verloren hat.
Guido Rohm
Klara (2024)