12. April 2024

Bach Gips


Der zweite Gedichtband erscheint von Kathrin Bach in der parasitenpresse, heißt Gips, er schließt fast nahtlos an Schwämme an, ebendort herausgekommen vor ein paar Jahren. Minimalistisch, mit angelegtem Sog, sehr klar kommuniziert Gips ein fragiles Bildaufbauen. Schmale Texte, ein paar Kapitelzäsuren, eingestreute Collagen der Autorin vermitteln ein Gefühl vom Kartenlegen. Ein einziger Text, der letzte, geht über die Seite hinaus. Dann versandet es. Was bleibt? Möglicherweise das grundsätzlich mit Gips assoziierte, ein instabiles System aus Momenten.

dass doch alles da ist lautet ein Abschnitt – dass aber das Gegenteil davon dräut, ist unausgesprochen in beinahe allen Versen zu spüren. Kippbildern nicht unähnlich, ziehen manche Gedichte in Peinigendes, andere lösen nur scheinbar etwas auf. Manche vergewissern sich einfach. Dabei steht Bachs Sprache jedoch auf der anderen Seite der Sicherheit. Gerade weil sich die Worte ihrer selbst, in ihrer Syntax, in ihren Bedeutungen sicher sind – von Alltagssprache, schwellenlos „halli hallo“, bis Bilderreichtum – wirkt das aufgerufene Mehrdeutige verunsichernd. Das „feste wissen“ befindet sich in einer Schleife.


Plastisch durchgeformte Bilder pflastern die Veräußerungen eines lyrischen Ich, das sich mit Raum umgibt, sozialem, materiellem. „es ist noch früh und die vögel sind laut / fliegen ihre kleinen schwarzen körper in die blattlose hecke / stecken zwischen den ästen, als könnte man sie pflücken“. Körperlichkeit wird beforscht, familiäres Schrumpeln wie Nähren. Behutsame Verwendung von Wiederholungen, englischen Einstreuselungen unterstreichen den ausgewählten Charakter dieser Lyrik.
Manchmal kommt ein Gefühl auf, als verweigere sie sich, aber was oder wem genau, bleibt ebenso undeutlich, obgleich oder wegen ihrer scharfen, fast messerscharfen Klarheit. Vögel, Holz, die Oma, Böden, Kind tauchen immer wieder auf. Eigentlich ist es aber der Blick auf die Dinge, der immer wieder auftaucht. Ein wenig introspektiv, ganz dicht an der Grenze zum Verschlossenen – aber nur fast. Im Ablauf wird es schwierig überhaupt etwas zu trauen, obwohl es sich doch beim Lesen aufbaut.

„kaltfront (1)

und der fluss
schiebt sich in meine richtung
als schiebe er mich
ins neue jahr hinein
und ich denke an das fohlen
auf der weide direkt am ufer
das mich hat weich werden lassen
als ich ganz knochig aus dem haus kam“

Gips verschenkt keine Silbe, Gips als intensivierte Leseerfahrung. Luzide Fragen wie eine Einrichtung.


Jonis Hartmann

Kathrin Bach: Gips, parasitenpresse 2024