20. April 2023

Keine Sorge, ich habe bezahlt



Bei Maro erscheint Franz Hofners Übersetzung der Sonette von Diane Seuss unter dem Titel Frank. Entlehnt dem Winehouse-Debütalbum, sind Seuss‘ Texte eine vollkommen eigene Auslegung sowohl des Sonetts als auch der literarischen Offenheit (=frank). Sture 14 Verse / Zeilen formen ein titelloses Sonett, das sich als „Memoir“ selektiv an Episoden, vor allem Bilder aus dem Lebensfundus des lyrischen Ichs abarbeitet. „Armut ist, wie das Sonett, eine gute Lehrerin“.


Auf 263 zweisprachigen Seiten variieren die Verslängen zum Teil erheblich, gegen Mitte gibt es diesbezogen aufklappbare Seiten. Das Layout des grafisch ansprechenden Bandes ist eine Art extrem-CineScope-Format, fast eher ein Fotoband – die Bilder von Seuss wie ein Trippen durch white-trash-anmutende Gefilde, genauso wie zwischenbesiedelte Nirgendwo-Weiten, Motelromance, groupie-artigen Aufgeboten von Dichter:innen, Musiker:innen, die allerdings nie Selbstzweck geraten, sondern stets integrale Verve in die jeweiligen Schüsse tragen. Besonders im Fokus: das Altern, Jobs, die (un-) familiäre Situation des lyrischen Ich, ein suizidaler Sohn, Abhängigkeit – wie grundsätzlich alles in Frank von irgendetwas abhängig ist, Tabletten, Spiegel, Stütze etc. „Es gibt Tage, an denen man nichts lesen muss, Vögel anstarrt“.


Die depressive Stimmung wird aufgezogen, vor allem in Hofners nicht immer scharfer Übertragung der Nuancen des Originals, als ein schwer zu durchmessener Strom, nur um von herzigen Begegnungen (wie Treibgut) für kurze Momente aufgehellt zu werden – wie ein Tag im Leben:


„so wie ich mal auf einen Kerl im Plattenladen
zuging und fragte, von wem der Song „Refugee“ sei, und er sagte „von mir“,
und ich merkte, nachdem ich die Platte fand und das Foto auf dem Cover
sah, dass ich Tom Petty nach einem Tom Petty-Song gefragt hatte,
den ich im Radio gehört hatte, als ich hungrig war und müde und allein.“
Oder eine Begegnung mit dem Dichter Robert Creeley: „Creeley verschwendete seine Zeit nicht einmal für Vokale. Er buchstabierte „sagte“ so: sgt. Ich würde / gerne sagen, wir unterhielten uns, aber das stimmt nicht.“


Die Desillusionierung ist omnipräsent, „ihr Frauenhass / war unbestreitbar“, „ihre falschen Feuerkronen“, die Sonette sind Protokolle einer Suche heraus. Das idolisierte Fliehen-können in Kunst (vielleicht zu anderen) bleibt ein einsamer Weg, aus dem es kein Abbiegen zurück zu geben scheint. Zu Dickinson (Emily-Reminiszenz?) dichtet Seuss: „Handschrift unleserlich, sogar beim Backen eines / Früchtebrots nach Rezept geriet ihr Früchtebrot seltsam, / saftiger als das Original“.


Frank: Sonette ist eine gefühlvolle Publikation, das Format originell. Wer bei Hofners zuweilen wechselhaftem Flow nicht ganz mitkommt, liest das Original – ein durchaus sprachgewitztes Dichten, das ein paar Layer über dem eigentlichen Inhalt an klanglichen Operationen bereithält. Diane Seuss ist zu Recht für dieses Buch im vergangenen Jahr mit dem Pulitzerpreis ausgezeichnet worden.

Jonis Hartmann

Diane Seuss: Frank: Sonette, Maro 2023

https://www.maroverlag.de/lyrik/271-frank-sonette-frank-sonnets-9783875126723.html